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Das Geheimnis des Heiligen Rosenkranzes
DAS GEHEIMNIS DES HEILIGEN ROSENKRANZES
Hl. Ludwig Maria Grignion von Montfort
Vorwort
Die weiße Rose: für die Priester
Die rote Rose: für die Sünder
Der mystische Rosenstrauch: für die frommen Seelen
Die Rosenknospe: für die kleinen Kinder
Erster Zehner: Vortrefflichkeit des heiligen Rosenkranzes in seinem Ursprung und Namen
Zweiter Zehner: Vortrefflichkeit des heiligen Rosenkranzes in den Gebeten, aus denen er besteht
Dritter Zehner: Vortrefflichkeit des heiligen Rosenkranzes in der Betrachtung des Lebens und Leidens unseres Herrn Jesus Christus
Vierter Zehner: Vortrefflichkeit des heiligen Rosenkranzes in den Wundern, die Gott zu seinen Gunsten gewirkt hat
Fünfter Zehner: Die Art und Weise, den Rosenkranz zu beten
Anhang
Vorwort zur Ausgabe von 1929
Die Aufgabe großer, von Gott gesandter Männer und Frauen ist mit ihrem Tode nicht vollendet, sondern sie erstreckt sich oft auf viele Jahrhunderte, ja bis ans Ende der Zeiten. Die einen leben und wirken weiter durch ihre Stiftungen, andere durch ihre Schriften. Für einige aus ihnen beginnt ihre eigentliche Aufgabe auf Erden erst nach ihrem Tode, wie die im Jahre 1897 verstorbene heilige Theresia vom Kinde Jesus richtig von sich selbst voraussagte. Zu diesen gehörte Ludwig Maria Grignion von Montfort (+ 28. April 1716). So Großes und Gewaltiges er auch an der Wende des 17. und 18. Jahrhunderts zum Heile der Seelen gewirkt, so war er doch nur der Apostel seiner engeren Heimat. Erst mit der Auffindung seines Manuskriptes „Abhandlung über die vollkommene Andacht zu Maria" am Anfang des 19. Jahrhunderts begann er in der ganzen katholischen Kirche sein wunderbares Apostolat, das, getragen von der höchsten Autorität der Päpste Pius X. und Benedikt XV., sich immer weiter ausdehnt und immer tiefer greift, so dass die Zeit zu kommen scheint, von welcher er vorausgesagt: „Wann wird jene glückliche Zeit kommen, in der Maria als Herrin und Königin in den Herzen herrschen wird, um sie gänzlich der Herrschaft ihres großen und einzigen Jesus zu unterwerfen? Wann werden die Seelen ebensosehr Maria atmen, wie die Leiber die Luft atmen? Dann werden wunderbare Dinge hienieden geschehen, wenn der Heilige Geist Seine geliebte Braut in den Seelen gleichsam wiedergebildet finden und deshalb in reichster Fülle über sie kommen und sie mit Seinen Gaben, besonders mit der Gabe der Weisheit erfüllen wird, um Wunder der Gnade zu wirken. Mein lieber Bruder, wann wird jene glückliche Zeit, jenes Zeitalter Mariä kommen, da manche Seelen, welche die Gottesmutter erwählt und vom Allerhöchsten erwirkt hat, sich selbst im Abgrunde des Innern Mariä verlieren und so lebendige Abbilder der Allerseligsten Jungfrau werden, um Jesus Christus zu lieben und zu verherrlichen? Diese Zeit wird erst dann kommen, wenn man die Andacht, die ich lehre, kennen und üben wird."
Die Bedingung ist nun erfüllt, die vollkommene Andacht, die er gelehrt, ist von den Päpsten nicht nur gutgeheißen, sondern auf das eindringlichste empfohlen, sie wird von den Päpsten selbst und von Tausenden wahrer Katholiken geübt, so muss sich nun auch die Prophezeiung erfüllen, das glückselige Zeitalter Mariä muss also vor der Türe stehen. Doch sagt der große Marienapostel an einer anderen Stelle seiner Schrift klar und bestimmt voraus, dass jene großen, auserwählten Seelen nur unter schwerstem Kampfe das Reich Mariä aufrichten werden. Zum Kampfe braucht man Waffen. Aber auch die siegreichen Waffen, mit denen sie „das Reich Mariä über das Reich der Gottlosen, der Götzendiener und Mohammedaner aufrichten werden", nennt uns der Marienapostel von Montfort. „Sie werden das zweischneidige Schwert des Wortes Gottes im Munde führen, auf ihren Schultern die blutige Fahne des Kreuzes, das Kruzifix in der Rechten, den Rosenkranz in der Linken, die heiligen Namen Jesu und Mariä auf ihrem Herzen und die Bescheidenheit und Abtötung Jesu Christi in ihrem ganzen Wesen tragen." Zur Waffenausrüstung gehört also als wesentlicher Bestandteil der heilige Rosenkranz.
Über Würde und Wert des Rosenkranzgebetes sowie über den Gebrauch dieser himmlischen Waffe kann uns niemand besser belehren, als Ludwig Maria Grignion von Montfort.
Nachdem die glorreiche Gottesmutter selbst dem hl. Dominikus (+1221) diese erhabene Gebetsweise geoffenbart und ihn beauftragt hatte, sie in der ganzen Kirche zu predigen, geriet die anfangs so blühende Andacht in argen Verfall.
Abermals ward ein Jünger des heiligen Dominikus, der selige Alanus de Rupe (+1475), um die Mitte des 15. Jahrhunderts von Gott und Seiner allerheiligsten Mutter beauftragt, das göttliche Werk zu erneuern.
Doch die menschliche Unbeständigkeit ist gar zu groß, und zum drittenmal erwählte Maria einen Apostel, der den Eifer für den ihr so teuren Rosenkranz in der Kirche beleben sollte: Ludwig Maria Grignion von Montfort (1673 -1716). Während seines Lebens erneuerte er die ganze Bretagne und Vendée durch das Rosenkranzgebet.
In unserer Zeit - so wird berichtet - ward Leo XIII. durch das Beispiel des Dieners Gottes, das durch den Seligsprechungsprozeß dem großen Papst vor Augen trat, angeregt, die Völker zum Rosenkranzgebet anzueifern.
Es ist auffällig und entspricht offenbar einem göttlichen Plane, dass die großen Apostel des heiligen Rosenkranzes in einer Zeitenfolge von je zwei Jahrhunderten auftraten, wie aus folgender Zusammenstellung ersichtlich ist.
Der heilige Dominikus lebte von 1170 – 1221.
Der selige Alanus lebte von 1428 – 1475.
Der selige Ludwig Maria Grignion von Montfort lebte von 1673 -1716.
Papst Leo XIII. regierte von 1878 - 1903.
Nun aber ist der Augenblick gekommen, dass der von Maria erwählte Nachfolger des heiligen Dominikus und des seligen Alanus durch sein Buch zu allen Christen des ganzen Erdkreises reden soll. Allen soll es vergönnt sein, seine Stimme zu hören, seine Worte zu vernehmen. Gestützt auf die Autorität des Rosenkranzpapstes, Leo XIII., wird seine Stimme bei allen wahren und treuen Kindern des Papstes freudigen Widerhall finden.
In seiner „Abhandlung über die vollkommene Andacht zu Maria" hat Grignion nicht eine neue Lehre verkündet, sondern eine Jahrhunderte alte Übung zunächst auf ein felsenfestes theologisches Fundament gestellt und das große Gnadengeheimnis, das nur wenige auserwählte Seelen kannten, allen Gläubigen, die wahrhaft guten Willens sind, in volkstümlicher Form zugänglich gemacht. Nicht anders verhält es sich mit seiner Schrift „Der heilige Rosenkranz". Was andere vor ihm gelehrt, mühsam in Büchern niedergeschrieben, das hat Ludwig Maria Grignion von Montfort in klarer und lieblicher Weise zusammengetragen, indem er sich dabei nicht scheute, einzelne schöne Stellen jenen Werken zu entnehmen. Doch auch so bleibt das Ganze sein eigenstes Werk, denn der ganze Plan, der Aufbau und die Durchführung ist durchaus seine persönliche Arbeit. Das Werk gleicht einem herrlichen Diadem aus Perlen in Goldfassung, das der glühende Marienverehrer seiner geliebtesten Herrin aufs Haupt setzt. Er selbst bereitete mit kunstfertiger Hand die kostbare Fassung, indem er dabei die herrlichen Perlen, sei es dem eigenen Herzen, sei es anderen liebeglühenden Herzen entnahm, um die gemeinsame Mutter zu schmücken. Wertvolle Steine, die sonst im Dunkel der Vergessenheit verborgen geblieben wären, sind auf diese Weise gerettet und Gemeingut aller Marienkinder geworden. Das ist das besondere Verdienst des eifrigen Apostels Ludwig Maria Grignion von Montfort.
Im Sommer 1924 hatten wir das unschätzbare Glück, in Saint-Laurent von der Sèvre alle Handschriften des Dieners Gottes durchzusehen und genau mit der gedruckten Ausgabe zu vergleichen. Somit entspricht die vorliegende Ausgabe in ihrem Text genau der Handschrift. Wir erlaubten uns im Gegensatz zur ersten Auflage keinerlei Abänderungen, selbst in den lateinischen Zitaten nicht, außer grammatikalischen Verbesserungen.
Desgleichen waren schon in der ersten französischen Ausgabe den einzelnen Rosen Titel beigegeben worden, die in der Handschrift fehlen. Bei lateinischen Zitaten wurde die deutsche Übersetzung beigefügt, obwohl sie der sel. Grignion nicht immer übersetzt hat.
Beginnet nun, liebe Kinder Mariä, mit dem andächtigen Lesen des Euch von Eurer himmlischen Mutter gesandten Buches, und wenn Ihr es aufmerksam gelesen habt, so bleibet nicht auf halbem Wege stehen, sondern fasset den festen Vorsatz, alle Tage den ganzen Psalter, und falls es Euch durchaus unmöglich, wenigstens einen Rosenkranz zu beten.
Leo Gommenginger
Der heilige Rosenkranz, das wunderbare Geheimnis der Bekehrung und des Heiles
Die weiße Rose
(für die Priester)
Diener des Allerhöchsten, Prediger der Wahrheit, Verkünder des Evangeliums, erlaubet mir, euch die weiße Rose dieses Büchleins darzureichen, um die Wahrheiten, welche einfach und ungeschminkt darin niedergelegt sind, euch ins Herz und in den Mund zu legen. In euer Herz, damit ihr die heilige Übung des Rosenkranzes annehmen und ihre Früchte verkosten möget. In euern Mund, damit ihr die Vorzüglichkeit dieser heiligen Übung prediget und sie durch dieses Mittel bekehren möget.
Hütet euch wohl, diese Übung als klein und unbedeutend zu betrachten, wie die gedankenlose Masse und selbst manche stolze Gelehrte es tun; sie ist wahrhaft groß, erhaben und göttlich. Der Himmel selbst hat sie euch gegeben; er gab sie euch, um die verstocktesten Sünder und hartnäckigsten Irrlehrer zu bekehren. Gott hat die Gnade in diesem Leben und die Glorie in der Ewigkeit daran geknüpft. Die Heiligen haben sie geübt, und von den Päpsten wurde sie gutgeheißen.
O wie glücklich ist ein Priester und Seelenführer, dem der Heilige Geist dieses den meisten Menschen unbekannte oder nur oberflächlich bekannte Geheimnis geoffenbart! Hat er einmal die praktische Kenntnis dieses Geheimnisses erlangt, so wird er selbst den Rosenkranz täglich beten und andere anleiten, ihn täglich zu beten. Gott und Seine heiligste Mutter werden die Gnade im Überfluß in seine Seele ergießen, um ihn zu einem Werkzeug ihrer Ehre zu machen; und er wird durch sein, wenn auch einfaches Wort, in einem Monat mehr Früchte zeitigen als die übrigen Prediger in mehreren Jahren.
Begnügen wir uns also nicht damit, meine lieben Mitbrüder, das Rosenkranzgebet anderen anzuraten, wir müssen es selbst üben. Wir können innerlich von der Vortrefflichkeit des heiligen Rosenkranzes überzeugt sein, aber solange wir ihn nicht beten, wird man sich sehr wenig Mühe geben, zu tun, was wir raten, denn niemand gibt, was er nicht hat. Coepit Jesus facere et docere (Apg 1,1). Ahmen wir Jesus nach, der damit begonnen hat, zu tun, was er lehrte. Ahmen wir den Apostel nach, der nichts kannte und predigte als Jesus, den Gekreuzigten (1 Kor 2,2). Das werdet ihr tun, indem ihr den heiligen Rosenkranz predigt, der, wie ihr nachher sehen werdet, nicht nur eine Zusammensetzung des Vaterunsers und Ave Maria ist, sondern ein göttlicher Abriß der Geheimnisse des Lebens, Leidens und Sterbens und der Glorie Jesu und Mariä.
Wenn ich glaubte, die Erfahrung, die mir Gott von der Wirksamkeit der Verkündigung des heiligen Rosenkranzes für die Bekehrung der Sünder gegeben hat, könnte euch bestimmen, trotz der gegenteiligen Gewohnheit der Prediger den Rosenkranz zu verkünden, so würde ich euch von den wunderbaren Bekehrungen erzählen, welche ich bei der Predigt des Rosenkranzes mit eigenen Augen geschaut; aber ich begnüge mich, euch in diesem Abriß einige alte und wohlbezeugte Beispiele anzuführen. Nur euretwegen habe ich mehrere lateinische Stellen bewährter Autoren eingefügt, die beweisen, was ich dem Volke in seiner Sprache erkläre.
Die rote Rose
(für die Sünder)
Euch, ihr armen Sünder und Sünderinnen, bietet ein noch größerer Sünder eine vom Blute Jesu Christi gerötete Rose dar, um euch damit zu schmücken und euch zu retten.
Die Gottlosen und die unbußfertigen Sünder rufen täglich: Coronemus nos rosis! „Bekränzen wir uns mit Rosen (Weish 2,8)!" Singen auch wir: "Bekränzen wir uns mit den Rosen des heiligen Rosenkranzes!" O wie verschieden sind ihre Rosen von den unsrigen!
Ihre Rosen sind fleischliche Vergnügen, eitle Ehren und vergängliche Reichtümer, die bald verwelken und verfaulen; die unsrigen aber, nämlich unsere andächtigen Vaterunser vereint mit unseren Bußwerken, werden nie verwelken noch verblühen, und ihre Pracht wird in hundert Jahren ebenso glänzend sein wie jetzt.
Ihre angeblichen Rosen sind nur Scheinrosen, im Grunde sind sie nichts als in diesem Leben stechende Dornen der Gewissensbisse, im Tode durchbohrende Dornen der Reue, und durch die ganze Ewigkeit hindurch brennende Dornen der Wut und Verzweiflung.
Wenn unsere Rosen Domen haben, so sind es Dornen Jesu Christi, der sie in Rosen verwandelt. Wenn unsere Rosen stechen, so stechen sie nur eine Zeit lang, und dann nur, um uns von der Sünde zu heilen und uns zu retten.
Bekränzen wir uns denn um die Wette mit solchen Paradiesesrosen, indem wir täglich einen Psalter beten, d.h. drei Rosenkränze von je fünf Zehnern, oder drei Blumenkronen:
Wenn ihr trotz der Größe eurer Sünden treu in diesem Gebete bis zum Tode fromm verharrt, so werdet ihr, glaubet es mir, eine unverwelkliche Krone der Herrlichkeit empfangen. Percipietis coronam immarcescibilem (l Petr 5,4). Stündest du schon am Rande des Abgrundes, und hättest du schon einen Fuß in der Hölle, oder hättest du wie ein Zauberer deine Seele dem Teufel verkauft, wärest du ein verhärteter, wie ein Dämon verstockter Irrlehrer, so wirst du dich früher oder später bekehren und gerettet werden, vorausgesetzt, ich wiederhole es, und beobachte gut die Worte und Ausdrücke meines Ratschlages, dass du bis zum Tode jeden Tag andächtig den Rosenkranz betest, um die Wahrheit zu erkennen und die Reue und Verzeihung deiner Sünden zu erlangen.
Ihr werdet in diesem Buche viele Beispiele von großen Sündern sehen, die durch die Kraft des heiligen Rosenkranzgebetes bekehrt wurden. Leset sie und betrachtet sie aufmerksam!
Gott allein!
Der mystische Rosenstrauch
(für die frommen Seelen)
Ihr werdet es mir nicht verargen, ihr frommen und vom Heiligen Geiste erleuchteten Seelen, dass ich euch einen vom Himmel stammenden mystischen Rosenstrauch überreiche, um ihn in den Garten eurer Seele zu pflanzen. Er wird ja die duftenden Blumen eurer Betrachtungen nicht schädigen. Er ist sehr wohlriechend und ganz göttlich und wird in der Ordnung eurer Gartenbeete nichts verderben. Er ist sehr rein und wohlgeordnet und bringt in alles Ordnung und Feinheit. Wenn man ihn jeden Tag sorgfältig begießt und pflegt, wächst er in solch wunderbare Höhe und breite, dass er nicht nur alle anderen Andachtsübungen nicht hindert, sondern sie sogar unterstützt und vervollkommnet.
Da ihr innerliche Seelen seid, versteht ihr mich wohl: der Rosenstrauch ist Jesus und Maria im Leben, im Tode und in der Ewigkeit.
Die grünen Blätter dieses mystischen Rosenstrauches drücken die freudenreichen Geheimnisse Jesu und Mariä aus, die Domen die schmerzhaften, die Blumen die glorreichen.
Die Rosenknospen bedeuten die Kindheit Jesu und Mariä, die offenen Rosen stellen Jesus und Maria im Leiden dar, die ganz entfalteten Rosen zeigen Jesus und Maria in ihrer Glorie und Verherrlichung.
Die Rose erfreut durch ihre Schönheit: so Jesus und Maria in den freudenreichen Geheimnissen; sie sticht mit ihren Dornen: das sind ihre schmerzhaften Geheimnisse; sie erfreut durch die Süßigkeit ihres Duftes: so Jesus und Maria in ihren glorreichen Geheimnissen!
Verschmähet also meine so liebliche und göttliche Pflanze nicht, pflanzet sie selbst in eure Seele, indem ihr den Entschluss fasset, euren Psalter zu beten, pfleget und begießet sie, indem ihr ihn treu jeden Tag betet und gute Werke übt, und ihr werdet sehen, wie das Samenkorn, das jetzt so klein scheint, mit der Zeit ein großer Baum wird, wo die Vögel des Himmels, d.h. die auserwählten und in der Betrachtung erhabenen Seelen, ihre Nester oder Gezelte bauen werden, um unter dem Schatten seiner Blätter von der Glut der Sonne beschirmt, durch seine Höhe vor den wilden Tieren der Erde geschützt, und endlich, um köstlich ernährt zu werden von seiner Frucht, welche keine andere ist, als der anbetungswürdige Jesus, dem Ruhm und Ehre sei in alle Ewigkeit. Amen.
Gott allein!
Die Rosenknospe
(für die kleinen Kinder)
Euch, meine kleinen Freunde, biete ich eine schöne Rosenknospe dar. Es ist ein kleines Korn eures Rosenkranzes, das in euren Augen als etwas so Geringfügiges erscheint. Wie kostbar ist dieses Korn! O wie wunderbar ist diese Knospe! Wie schön wird sie sich entfalten, wenn ihr andächtig euer Ave Maria betet! Es wäre zu viel verlangt, euch für jeden Tag einen ganzen Psalter anzuraten. So betet wenigstens täglich andächtig euren Rosenkranz, den ihr als einen kleinen Kranz von Rosen Jesu und Maria auf das Haupt setzt. Glaubet mir, höret die schöne Geschichte und behaltet sie gut.
Zwei kleine Schwestern saßen an der Türe ihrer Wohnung und beteten andächtig den Rosenkranz. Da erschien ihnen eine schöne Frau, näherte sich dem jüngeren Kinde, das nur sechs bis sieben Jahre zählte, nahm es bei der Hand und führte es mit sich. Die ältere Schwester war ganz überrascht und suchte ihre Schwester, und da sie es nicht finden konnte, kam sie ganz trostlos nach Hause und sagte, man habe ihre Schwester fortgeführt. Vater und Mutter suchten drei Tage lang umsonst. Am Schluss des dritten Tages fanden sie das Kind mit ganz fröhlichem und freudigem Antlitz in der Türe. Sie fragten es, woher es komme. Es antwortete, die Dame, zu der es den Rosenkranz gebetet habe, habe es an einen schönen Ort geführt und ihm viele gute Sachen zu essen gegeben, sie habe ihm ein schönes, kleines Kind in die Arme gelegt, das es oft küssen durfte. Die Eltern, die erst kürzlich zum Glauben bekehrt worden waren, ließen den Jesuitenpater kommen, der sie im Glauben und in der Andacht zum Rosenkranz unterrichtet hatte, und erzählten ihm, was vorgefallen war. Von ihm selbst habe ich es erfahren. Es ist dies in Paraguay geschehen.
Ahmet, liebe Kinder, diesen kleinen Mädchen nach und betet täglich euren Rosenkranz, und ihr werdet dadurch verdienen, in den Himmel zu kommen und Jesus und Maria zu schauen, wenn nicht in diesem Leben, so doch wenigstens nach dem Tode die ganze Ewigkeit hindurch. Amen.
Mögen also Gelehrte und Ungelehrte, Gerechte und Sünder, Große und Kleine Tag und Nacht mit dem heiligen Rosenkranz Jesus und Maria loben und grüßen! Salutate Mariam, quae multum laboravit in vobis. „Grüßet Maria, welche sich für euch so sehr abgemüht hat“ (Röm 16,6).
Erster Zehner:
Vortrefflichkeit des heiligen Rosenkranzes in seinem Ursprung und Namen
ERSTE ROSE:
Die Gebete des Rosenkranzes
Der Rosenkranz schließt zwei Dinge in sich, nämlich das betrachtende und das mündliche Gebet.
Das betrachtende Gebet des heiligen Rosenkranzes ist nichts anderes als die Betrachtung der wichtigsten Geheimnisse des Lebens, des Todes und der Glorie Jesu Christi und Seiner heiligsten Mutter.
Das mündliche Gebet des Rosenkranzes besteht darin, dass man je zehn Ave Maria und ein Vaterunser fünfzehnmal wiederholt und dabei betrachtet, indem man die fünfzehn Haupttugenden, welche Jesus und Maria in den fünfzehn Geheimnissen des heiligen Rosenkranzes geübt haben, sich vor Augen stellt.
Im ersten Teil des Rosenkranzes, der fünf Zehner umfaßt, verehrt und betrachtet man die fünf freudenreichen, im zweiten Teil die fünf schmerzhaften und im dritten Teil die fünf glorreichen Geheimnisse. So ist der heilige Rosenkranz eine heilige Verbindung des betrachtenden und mündlichen Gebetes zur Verehrung und Nachahmung der Geheimnisse des Lebens und Sterbens, des Leidens und der Verherrlichung Jesu und Mariä.
ZWEITE ROSE:
Ursprung des Rosenkranzes
Insofern der Rosenkranz in seinem Grund und Wesen aus dem Gebete Jesu Christi und dem Engelsgruße zusammengesetzt ist, nämlich aus dem Vaterunser und Ave Maria, und aus der Betrachtung der Geheimnisse Jesu und Mariä, ist dies ohne Zweifel das erste Gebet und die erste Andacht der Gläubigen.
In der Form und Methode aber, wie er jetzt gebetet wird, ist der heilige Rosenkranz erst im Jahre 1214 der Kirche geoffenbart und von der allerseligsten Jungfrau dem heiligen Dominikus zur Bekehrung der häretischen Albigenser und der Sünder gegeben worden, und zwar auf die Art und Weise, wie ich erzählen werde nach dem Berichte des seligen Alanus de Rupe in seinem berühmten Buche: De dignitate psalterii. („Von der Würde des Psalters Mariä.")
Als der heilige Dominikus sah, dass die Verbrechen der Menschen der Bekehrung der Albigenser ein Hindernis setzten, ging er in einen nahen Wald bei Toulouse und verbrachte dort drei Tage und drei Nächte in fortwährender Gebets- und Bußübung; er hörte nicht auf, zu seufzen und zu weinen und seinen Körper durch Geißelstreiche zu kasteien, um den Zorn Gottes zu beschwichtigen, bis er schließlich halbtot umfiel.
Da erschien ihm die Allerseligste Jungfrau in Begleitung dreier Himmelsfürstinnen und sagte zu ihm: „Weißt du, mein lieber Dominikus, welcher Waffe die Heiligste Dreifaltigkeit sich bedient hat, um das Heil der Welt wiederherzustellen?"
Die allerseligste Jungfrau fügte bei: „Wisse, dass die hauptsächlichste Waffe in dieser Art von Kriegsführung die 15 Gesätze des Rosenkranzes sind, die das Fundament des Neuen Testamentes darstellen. Wenn du also jene verstockten Herzen bekehren und für Gott gewinnen willst, so predige meinen Psalter."
Der Heilige erhob sich ganz getröstet, und ganz von Eifer für das Heil dieser Völker entflammt, trat er in die Kathedrale ein. Sofort läuteten die Glocken, von Engelshand gezogen, um die Einwohner zu versammeln. Bei Beginn der Predigt erhob sich ein schreckliches Gewitter; die Erde erzitterte, die Sonne verfinsterte sich; der unaufhörliche Donner und die gewaltigen Blitzschläge bewirkten, dass alle Zuhörer erbleichten und zitterten. Ihr Schrecken steigerte sich noch, als sie sahen, wie ein Marienbild, das vor aller Augen ausgestellt war, dreimal die Arme gen Himmel erhob, um die Rache Gottes über sie herabzurufen, falls sie sich nicht bekehren und unter den Schutz der Gottesmutter flüchten wollten. Der Himmel wollte durch dieses Wunder die neue Andacht des heiligen Rosenkranzes vermehren und verbreiten. Das Gewitter hörte endlich durch die Fürbitte des heiligen Dominikus auf. Er fuhr in seiner Rede weiter und erklärte mit solchem Eifer und solcher Kraft die Vortrefflichkeit des heiligen Rosenkranzes, dass fast alle Bewohner der Stadt ihn annahmen und ihren Irrtümern widersagten. Nach kurzer Zeit nahm man eine große Veränderung in den Sitten und im Leben der Stadt wahr.
DRITTE ROSE:
Der heilige Dominikus und der Rosenkranz
Diese wunderbare Einführung des heiligen Rosenkranzes, die etwas Ähnlichkeit hat mit der Art, wie Gott auf dem Berge Sinai der Welt das Gesetz gegeben, zeigt augenscheinlich die Vortrefflichkeit dieser himmlischen Übung. Auch predigte der heilige Dominikus, vom Heiligen Geiste erleuchtet und von der allerseligsten Jungfrau und durch seine eigene Erfahrung belehrt, sein ganzes übriges Leben hindurch den Rosenkranz mit Wort und Beispiel in Stadt und Land, vor Groß und Klein, Gelehrt und Ungelehrt, vor Katholiken und Irrgläubigen. Der Psalter, den er täglich betete, war seine Vorbereitung vor der Predigt und sein Gebet nach der Predigt.
Als der Heilige einmal am Feste des heiligen Evangelisten Johannes in der Kirche Notre-Dame zu Paris sich in einer Kapelle hinter dem Hochaltar befand, um sich durch das Rosenkranzgebet auf die Predigt vorzubereiten, erschien ihm die liebe Gottesmutter und sprach: „Dominikus, obschon die Predigt, die du vorbereitet hast, gut ist, so bringe ich dir dennoch hier eine viel bessere." Der heilige Dominikus empfing aus ihrer Hand das Buch, worin diese Predigt stand, las es, verstand es und dankte Maria dafür.
Als die Zeit der Predigt gekommen, stieg er auf die Kanzel und sagte zum Lobe des heiligen Evangelisten Johannes nichts anderes, als dass Johannes verdient habe, der Beschützer der Himmelskönigin zu sein. Darauf erklärte er der ganzen Versammlung der vornehmen und gelehrten Zuhörer, die nur an außergewöhnliche und glänzende Reden gewohnt waren, er werde nicht mit gelehrten Worten menschlicher Weisheit zu ihnen sprechen, sondern in der Einfachheit und Kraft des Heiligen Geistes. Alsdann predigte der heilige Dominikus den heiligen Rosenkranz und erklärte ihnen Wort für Wort wie kleinen Kindern den Gruß des Engels, indem er sich der sehr einfachen Vergleiche bediente, die er auf dem von der Allerseligsten Jungfrau erhaltenen Blatte gelesen hatte. Ich lasse die eigenen Worte des gelehrten Karthagena (in lateinischer Sprache) folgen, die er dem Buche des seligen Alanus de Rupe, betitelt: „De dignitate psalterii", entnommen hat:
Patrem sanctum Dominicum sibi haec in revelatione dixisse testatur: “Tu praedicas, fili, sed uti caveas ne potius laudem humanam quaerans quam animarum fructum, audi quid mihi Parisiis contigit. Debebam in majori ecclesia beatae Mariae praedicare, et volebam curiose non jactantiae causa, sed propter astantium facultatem et dignitatem. Cum igitur more meo per horam fere ante sermonem in psalterio meo (Rosarium intelligit) quadam capilla post altare majus orarem, subito factus in raptum, cernebam amicam meam Dei Genitricem afferentem mihi libellum et dicentem : ‘Dominice, et si bonum est quod praedicare disposuisti sermonem, tamen longe meliorem attuli.’ Laetus librum capio, lego constanter, ut dixit, reperio, gratias ago, adest hora sermonis, adest parisiensis Universitas tota, dominorumque numerus magnus. Audiebant quippe et videbant signa magna quae per me Dominus operabatur ; itaque ambonem ascendo. Festum est sancti Joannis Evangelistae. De eo aliud non dico nisi quod custos singularis esse meruit Reginae coeli. Deinde auditores sic alloquor : Domini et Magistri praestantissimi, aures reverentiae vestrae solitae sunt curiosos audire sermones et auscultare. At nunc ego non in doctis humanae sapientiae verbis, sed in ostentione spiritus et virtutis loquar.” Tunc, ait Carthagena post beatum Alanum, stans Dominicus eis explicavit Salutationem angelicam comparationibus et similitudinibus familiaribus hoc modo.
Wie derselbe Karthagena nach dem seligen Alanus berichtet, erschienen der göttliche Heiland und die allerseligste Jungfrau dem heiligen Dominikus noch öfters, um ihn zu drängen und mehr und mehr zu ermuntern, den heiligen Rosenkranz zu predigen, um dadurch die Sünde zu überwinden und die Sünder und Irrlehrer zu bekehren.
Er schreibt an einer Stelle: "Beatus Alanus dicit sibi a beata Virgine revelatum fuisse Christum Filium suum apparuisse post se sancto Dominico et ipsi dixisse:
Der selige Alanus sagt, die Allerseligste Jungfrau habe ihm geoffenbart, ihr Sohn Jesus Christus sei nach ihr dem heiligen Dominikus erschienen und habe zu ihm gesagt: „Dominikus, es freut Mich, dass du nicht auf deine Weisheit baust, sondern in Demut vielmehr die Seelen retten, als den eitlen Menschen gefallen willst. Viele Prediger jedoch wollen sofort gegen die schwersten Sünden donnern und wissen nicht, dass man einen Kranken zuerst auf ein beschwerliches Heilmittel vorbereiten muss, damit er es mit Nutzen nehme. Deshalb müssen sie zuerst ihren Zuhörern die Liebe zum Gebet und vor allem zu meinem Rosenkranz einflößen; denn wenn alle anfangen, diesen zu beten, so ist kein Zweifel, dass allen, die darin ausharren, die göttliche Barmherzigkeit zuteilwerde. Predige also meinen Rosenkranz!"
Der selige Alanus sagt an einer anderen Stelle:
„Alle Prediger beten mit den Gläubigen bei Beginn der Predigt den Engelsgruß, um die göttliche Gnade zu erflehen. Der Grund davon liegt in einer Offenbarung der Allerseligsten Jungfrau an den heiligen Dominikus, dem sie sagte: ‚Mein Sohn, sei nicht erstaunt über den Mißerfolg deiner Predigten! Du bearbeitest nämlich ein Erdreich, das nicht vom Regen begossen wurde. Wisse denn, als Gott beschloß, die Welt zu erneuern, schickte er den Regen des Englischen Grußes voraus, und so wurde die Welt erneuert. Lade deshalb gleichfalls die Menschen in deinen Predigten ein, meinen Rosenkranz zu beten, und du wirst große Früchte für die Seelen daraus ernten.‘ Dies führte der heilige Dominikus durch und erzielte so für die Seelen reiche Früchte." (Dies ist enthalten in dem in italienischer Sprache verfaßten Buche der Wunder des heiligen Rosenkranzes, und in der 243. Rede Justins.)
Ich habe absichtlich die lateinischen Stellen dieser angesehenen Autoren wörtlich anführen wollen zugunsten jener Prediger und Gelehrten, welche die wunderbare Kraft des heiligen Rosenkranzes bezweifeln könnten. Solange die Prediger nach dem Beispiele des heiligen Dominikus die Andacht zum heiligen Rosenkränze predigten, blühten Frömmigkeit und Tugendeifer in den religiösen Orden, welche diese Andacht pflegten, und in der christlichen Welt; aber seitdem man dieses Himmelsgeschenk vernachlässigt, sieht man allüberall nur noch Sünde und Unordnung.
VIERTE ROSE:
Der selige Alanus de Rupe und der Rosenkranz
Da alle, selbst die heiligsten Dinge, besonders wenn sie vom Willen der Menschen abhängen, dem Wechsel unterworfen sind, so muss man sich nicht wundern, wenn die Bruderschaft des heiligen Rosenkranzes nach ihrer Gründung nur ungefähr hundert Jahre lang in ihrem ersten Eifer fortbestand. So kam es, das sie bald beinahe ganz der Vergessenheit anheimfiel. Außerdem hat die Bosheit und der Neid des Teufels ohne Zweifel viel zur Vernachlässigung des heiligen Rosenkranzes beigetragen, um den göttlichen Gnadenströmen, welche diese Andacht auf die Welt herabzog, Einhalt zu tun.
In der Tat suchte die göttliche Gerechtigkeit im Jahre 1349 alle Reiche Europas durch die schrecklichste Pest heim, die je erlebt worden war. Sie verbreitete sich von Osten her über Italien, Deutschland, Frankreich, Polen und Ungarn und verheerte fast alle diese Länder, denn von hundert Personen blieb kaum eine am Leben. Drei Jahre lang wütete die Seuche und entvölkerte die Städte, Flecken, Dörfer und Klöster fast gänzlich. Dieser Geißel Gottes folgten zwei weitere: die Irrlehre der Geißelbrüder und im Jahre 1376 ein unglückseliges Schisma.
Nachdem durch die Barmherzigkeit Gottes dieses Elend aufgehört hatte, befahl die Gottesmutter dem seligen Alanus de Rupe, einem berühmten Gelehrten und Prediger aus dem Orden des heiligen Dominikus im Kloster Dinan in der Bretagne, die alte Bruderschaft des heiligen Rosenkranzes zu erneuern, damit diese berühmte Bruderschaft, die in jener Provinz den Ursprung genommen hatte, von einem Ordensmanne aus derselben Provinz wiederhergestellt werde. Der Selige begann im Jahre 1460 an dem großen Werke zu arbeiten, besonders nachdem noch der göttliche Heiland Jesus Christus, wie der Selige selbst berichtet, ihm eines Tages beim heiligen Meßopfer folgendes sagte, um ihn zum Predigen des heiligen Rosenkranzes anzueifern:
„Wie", sprach Jesus, „Du kreuzigst Mich von neuem?" – „Wieso, Herr?" antwortete der selige Alanus ganz entsetzt. – „Deine Sünden sind es, die Mich kreuzigen", erwiderte ihm Jesus Christus, „und Ich möchte lieber noch einmal gekreuzigt werden, als Meinen Vater durch deine früheren Sünden beleidigt zu sehen. Und du kreuzigst Mich noch jetzt, denn du besitzest die Wissenschaft und die Eigenschaften, den Rosenkranz Meiner Mutter zu predigen und durch dieses Mittel viele Seelen zu belehren und der Sünde zu entreißen. Du würdest sie retten und große Übel verhüten; da du es aber nicht tust, bist du für die Sünden verantwortlich, die jene begehen." Diese schrecklichen Vorwürfe brachten den seligen Alanus zum Entschluss, unaufhörlich den Rosenkranz zu predigen.
Um ihn mehr und mehr zu ermuntern, den heiligen Rosenkranz zu predigen, sprach auch die göttliche Mutter eines Tages zu ihm: „Du warst in deiner Jugend ein großer Sünder, aber ich habe dir von meinem Sohne die Bekehrung erlangt; ich habe für dich gebetet, und wenn es möglich gewesen wäre, hätte ich gerne Leiden jeder Art erduldet, um dich zu retten, weil die bekehrten Sünder mein Ruhm sind, und um dich würdig zu machen, überall meinen Rosenkranz zu predigen."
Der heilige Dominikus zeigte ihm die großen Früchte, die er selbst durch das fortwährende Predigen dieser schönen Andacht unter dem Volke hervorgebracht hatte, und sprach zu ihm:
Das ist nun in kurzen Zügen die Geschichte der Einführung des heiligen Rosenkranzes durch den heiligen Dominikus und seiner Erneuerung durch den seligen Alanus de Rupe.
FÜNFTE ROSE:
Die Rosenkranzbruderschaft
Es gibt im Grunde genommen nur eine Rosenkranzbruderschaft; ihre Mitglieder beten den Psalter von 150 Ave Maria.
Aber in Bezug auf den Eifer der verschiedenen Personen, die ihn beten, unterscheidet man drei Gruppen, nämlich: den gewöhnlichen Rosenkranz, den ewigen Rosenkranz und den täglichen Rosenkranz.
Die Bruderschaft des gewöhnlichen Rosenkranzes schreibt vor, den Psalter jede Woche einmal zu beten.
Die Bruderschaft des ewigen Rosenkranzes verlangt nur einen Psalter im Jahr.
Die Bruderschaft des täglichen Rosenkranzes aber schreibt vor, dass man ihn täglich ganz, d.h. 150 Ave Maria, bete.
Keine dieser Vorschriften jedoch verpflichtet unter Sünde, nicht einmal unter läßlicher Sünde, denn diese Verpflichtung ist ganz freiwillig und ein Werk der Übergebühr. Aber man soll sich nicht in die Bruderschaft einschreiben lassen, wenn man nicht den bestimmten Willen hat, ihn so zu beten, wie die Bruderschaft es verlangt und soweit man es kann, ohne gegen die Standespflichten zu verstoßen.
Wenn z. B. das Beten des Rosenkranzes eine Handlung verhindern würde, die Standespflicht wäre, so müsste man jene Handlung dem Rosenkranz vorziehen, so heilig er auch ist.
Wenn man in der Krankheit ihn weder ganz noch teilweise beten kann, ohne das Übel zu vermehren, ist man dazu nicht verpflichtet.
Wenn man durch rechtmäßigen Gehorsam oder durch ungewolltes Vergessen, oder durch ein dringend notwendiges Werk verhindert ist, ihn zu beten, ist dies keine, nicht einmal eine läßliche Sünde. Man hört dann nicht auf, an den Gnaden und Verdiensten der Mitbrüder und Mitschwestem der Rosenkranzbruderschaft in der ganzen Welt teilzunehmen.
Christen, wenn ihr sogar aus reiner Nachlässigkeit, ohne eine förmliche Verachtung, den heiligen Rosenkranz zu beten unterlasset, auch dann, streng genommen, sündigt ihr nicht, doch verliert ihr den Anteil an den Gebeten und guten Werken und den Verdiensten der Bruderschaft, und durch eure Untreue in kleinen Dingen und in den Andachtsübungen werdet ihr unmerklich in die Untreue in großen Dingen und in wesentlichen Verpflichtungen fallen, denn: Qui spernit modica, paulatim decidet: „Wer das Kleine gering achtet, geht nach und nach zugrunde" (Ekkli 19,1).
SECHSTE ROSE:
Der Psalter Mariä
Seit der Zeit, da der heilige Dominikus diese Andacht einführte, bis zum Jahre 1460, als der selige Alanus de Rupe sie durch himmlischen Befehl erneuerte, nennt man sie den Psalter Jesu und Mariä, weil er ebenso oft den Engelsgruß enthält als der Psalter Davids Psalmen, und weil die einfachen und ungebildeten Leute den Psalter Davids nicht beten können, finden sie im Beten des heiligen Rosenkranzes eine ebenso große, ja noch eine viel reichere Frucht als beim Beten der Psalmen Davids:
Vernimm, was der gelehrte Johannes von Karthago hierzu bemerkt:
Das heißt auf Deutsch:
Der Psalter oder Rosenkranz Mariä ist in drei Rosenkränze von je fünf Gesätzen eingeteilt:
SIEBENTE ROSE:
Der Psalter, ein Kranz von Rosen
Seit der selige Alanus de Rupe diese Andacht erneuert hat, gab ihr die Stimme des Volkes, welches die Stimme Gottes ist, den Namen Rosenkranz. Das bedeutet, dass man jedesmal, so man den Psalter gut betet, auf das Haupt Jesu und Mariä einen aus hundertdreiundfünfzig weißen und sechzehn roten himmlischen Rosen bestehenden Kranz setzt, welcher nie seine Schönheit noch seinen Glanz verlieren wird.
Die liebe Gottesmutter hat den Namen des Rosenkranzes gebilligt und bestätigt, indem sie mehreren Personen offenbarte, sie bringen ihr ebenso viele liebliche Rosen dar, als sie Ave Maria zu ihrer Ehre beten, und ebenso viele Kränze von Rosen, als sie Rosenkränze beten.
Der heilige Bruder Alphons Rodriguez aus der Gesellschaft Jesu betete seinen Rosenkranz mit solchem Eifer, dass er oft bei jedem Vaterunser eine purpurne Rose aus seinem Munde hervorsprießen sah und bei jedem Ave eine weiße, den andern an Schönheit und Duft ebenbürtig und nur in der Farbe verschieden.
Die Chronik des heiligen Franziskus berichtet, ein junger Ordensmann habe die lobenswerte Gewohnheit geübt, täglich vor der Mahlzeit den Rosenkranz zu beten. Eines Tages unterließ er es durch irgendeinen Umstand. Als es zum Mittagessen geläutet hatte, bat er den Obern, den Rosenkranz beten zu dürfen, ehe er zu Tisch komme. Mit dieser Erlaubnis zog er sich auf sein Zimmer zurück. Als er jedoch zu lange ausblieb, schickte der Obere einen Ordensbruder, um ihn zu rufen. Dieser fand den Betenden in seinem Zimmer ganz von himmlischem Lichtglanz umflossen und in Gesellschaft der Allerseligsten Jungfrau und zweier Engel. So oft er ein Ave Maria betete, kam eine schöne Rose aus seinem Munde; die Engel aber nahmen eine Rose nach der anderen und setzten sie auf das Haupt Mariä, welche große Freude daran zeigte. Zwei andere Brüder, die der Obere nachgesandt hatte, um sich nach der Ursache des Verweilens der anderen zu erkundigen, sahen das ganze Wunder, und die Mutter Gottes verschwand erst, als der Rosenkranz fertig gebetet war.
Der Psalter ist somit eine große Krone, und der dritte Teil des Psalters ist ein kleiner Blumenkranz oder ein kleiner Kranz aus himmlischen Rosen, den man Jesus und Maria auf das Haupt setzt. Die Rose ist die Königin der Blumen, so auch der Rosenkranz unter den Andachtsübungen.
ACHTE ROSE:
Die Wunder des Rosenkranzes
Es ist unmöglich, auszudrücken, wie sehr Maria den Rosenkranz über alle Andachten schätzt und wie überschwenglich sie jene belohnt, die daran arbeiten, ihn zu predigen, einzuführen und zu pflegen, wie schrecklich sie aber gegen jene ist, die sich dagegen auflehnen.
Dem heiligen Dominikus lag während seines Lebens nichts so sehr am Herzen, als die seligste Jungfrau zu loben, ihre Größe zu predigen und alle anzueifern, Maria durch den Rosenkranz zu verehren.
Die mächtige Himmelskönigin hörte nicht auf, ihren Segen mit vollen Händen über den Heiligen auszugießen. Sie krönte seine Werke mit tausend Wundern, und nie hat er etwas von Gott erbeten, was er nicht durch die Fürbitte der Allerseligsten Jungfrau erlangt hätte.
Als höchste Gunstbezeigung verlieh sie ihm den Sieg über die Irrlehre der Albigenser und machte ihn zum Vater und Patriarchen eines großen Ordens.
Was soll ich sagen vom seligen Alanus, dem Erneuerer dieser Andacht? Maria ehrte ihn öfters mit ihren Besuchen, um ihn zu belehren, wie er sein Heil wirken, ein guter Priester, ein vollkommener Ordensmann und Nachahmer Jesu Christi werden könne. Während der schrecklichen Versuchungen und Verfolgungen der bösen Geister, die ihn in einen Zustand äußerster Traurigkeit und fast der Verzweiflung versetzten, tröstete sie ihn und zerstreute durch ihre liebliche Gegenwart alle Wolken und Finsternisse.
Sie lehrte ihn die Art und Weise, den Rosenkranz zu beten, zeigte ihm dessen Vortrefflichkeit und Früchte; sie verlieh ihm den glorreichen Titel ihres mystischen Bräutigams, und als Unterpfand ihrer keuschen Liebe steckte sie ihm einen Ring an den Finger, legte ihm eine aus ihren Haaren geflochtene Kette um den Hals und gab ihm einen Rosenkranz. Der Abt Trithemius, der berühmte Karthagena, der gelehrte Martin Navarra und andere sprechen davon mit Lobeserhebung.
Nachdem er mehr als hunderttausend Seelen für die Rosenkranzbruderschaft gewonnen hatte, starb er zu Zwolle in Flandern am 8. September 1475.
Der selige Thomas vom heiligen Johannes, der berühmte Prediger des heiligen Rosenkranzes, erregte durch die großen Erfolge, die er durch diese Andacht erreichte, so sehr den Neid des Teufels, dass dieser ihn durch seine Mißhandlungen in eine lange und schmerzliche Krankheit stürzte, in der er von den Ärzten aufgegeben wurde. Während einer Nacht, als er unfehlbar zu sterben glaubte, erschien ihm der Teufel unter einer schrecklichen Gestalt. Aber während Thomas Auge und Herz andächtig zu einem Marienbild in der Nähe seines Bettes erhob, rief er aus allen Kräften: „Hilf mir, beschütze mich, o meine süßeste Mutter!" Kaum hatte er die Worte beendigt, so reichte ihm die heiligste Jungfrau die Hand aus dem heiligen Bild, erfaßte seinen Arm und sprach: „Fürchte nichts, mein Sohn Thomas, siehe ich komme, dich zu beschützen; erhebe dich und fahre fort, die Andacht zu meinem Rosenkranz zu predigen, wie du begonnen hast. Ich werde dich gegen alle deine Feinde verteidigen." Bei diesen Worten Mariä ergriff der Teufel die Flucht. Der Kranke erhob sich in vollkommener Gesundheit, dankte seiner guten Mutter unter einem Strom von Tränen und fuhr fort, den Rosenkranz mit wunderbarem Erfolg zu predigen.
Die Muttergottes begünstigt nicht nur die Prediger des Rosenkranzes, sondern belohnt auch jene, die durch ihr Beispiel andere zu dieser Andacht aneifern.
Alphons, König von Leon und Galizien wünschte, dass alle seine Diener die seligste Jungfrau durch den Rosenkranz verehren, und um sie durch sein Beispiel zu ermuntern, kam er auf den Gedanken, einen großen Rosenkranz an der Seite zu tragen, was alle seine Hofleute bewog, ihn andächtig zu beten. Er selber jedoch betete ihn nicht.
Nun wurde der König todkrank, und während man ihn bereits tot glaubte, ward er im Geiste vor den Richterstuhl Jesu Christi entrückt. Er sah die Teufel, welche ihn aller Verbrechen anklagten, die er begangen hatte, und der Richter war eben im Begriff, ihn zu den ewigen Peinen zu verdammen, als die Gottesmutter sich ihrem Sohn zu seinen Gunsten vorstellte. Man brachte eine Waage, legte in die eine Schale alle Sünden des Königs, die allerseligste Jungfrau aber legte in die andere Schale den großen Rosenkranz, den er zu ihrer Ehre getragen und alle Rosenkränze, die er durch sein Beispiel veranlaßt hatte, was viel mehr wog als alle seine Sünden zusammen. Dann sprach sie zu ihm, indem sie ihn liebevoll anblickte: „Als Erkenntnis für den kleinen Dienst, den du mir mit dem Tragen des Rosenkranzes geleistet hast, habe ich von meinem Sohn die Verlängerung deines Lebens um mehrere Jahre erlangt. Benütze sie gut und tue Buße!" Wieder zu sich gekommen, rief der König aus: „O glückseliger Rosenkranz der Allerseligsten Jungfrau, durch den ich vor der ewigen Verdammnis bewahrt worden bin!" Nachdem er die Gesundheit wiedererlangt hatte, verharrte er sein übriges Leben hindurch in der Andacht des heiligen Rosenkranzes und betete ihn täglich.
O dass doch die Maria liebenden Seelen suchten, möglichst viele Gläubige für die Bruderschaft des heiligen Rosenkranzes zu gewinnen nach dem Beispiele dieser Heiligen und dieses Königs! Dadurch würden sie ihr Wohlwollen hienieden und das ewige Leben gewinnen. Qui elucidant me, vitam aeternam habebunt: „Die mich verherrlichen, erlangen das ewige Leben" (Ekkli 24,31).
NEUNTE ROSE:
Die Feinde des Rosenkranzes
Laßt uns nun sehen, welche Ungerechtigkeit es ist, die Verbreitung der Bruderschaft des heiligen Rosenkranzes zu hindern, und mit welchen Strafen Gott mehrere Unselige gezüchtigt hat, welche diese heilige Bruderschaft verachteten und sie zerstören wollten.
Obwohl die Andacht des heiligen Rosenkranzes vom Himmel durch mehrere Wunder bestätigt und von der Kirche durch mehrere päpstliche Bullen gutgeheißen wurde, so finden sich in unserer Zeit nur zu viele Sitten- und Gottlose und sogenannte Aufgeklärte, die versuchen, die Bruderschaft entweder in Verruf zu bringen, oder wenigstens die Gläubigen davon abzuhalten. Es ist leicht zu erkennen, dass ihre Zungen von höllischem Gifte träufeln und dass sie unter dem Einfluß des bösen Geistes handeln, denn kein Mensch kann die Andacht des heiligen Rosenkranzes mißbilligen, ohne dass er dadurch das Wesen der christlichen Religion verdammt, nämlich: das Gebet des Herrn, den Englischen Gruß, die Geheimnisse des Lebens, des Todes und der Glorie Jesu Christi und Seiner heiligsten Mutter.
Jene Freigeister, die es nicht leiden können, dass man den Rosenkranz betet, fallen oft, ohne es zu merken, in die verworfene Lehre der Irrlehrer, welche Rosenkranz und Psalter verabscheuen.
Es heißt, sich von Gott und der wahren Frömmigkeit entfernen, wenn man die Bruderschaften verabscheut, da doch Jesus Christus uns versichert, dass Er sich inmitten derer befinde, die in Seinem Namen beisammen sind (Mt 18,20). Das heißt kein guter Katholik sein, wenn man so viele und so große Ablässe vernachlässigt, die die Kirche den Bruderschaften gewährt. Es heißt endlich, ein Feind des Seelenheils sein, wenn man den Gläubigen abrät, den Rosenkranz andächtig zu beten, da sie doch durch dieses Mittel sich von der Sünde lossagen und sich der Frömmigkeit zuwenden. Wenn der heilige Bonaventura recht hat, indem er sagt, wer die heiligste Jungfrau nicht verehre, werde in seiner Sünde sterben und der Verdammnis anheimfallen; Qui negligerit illam morietur in peccatis suis, welche Strafen müssen dann nicht jenen warten, welche die andern von ihren Andachtsübungen abwendig machen!...
ZEHNTE ROSE:
Durch den Rosenkranz erlangte Wunder
Als der heilige Dominikus in Carcassonne diese Andacht predigte, zog ein Irrlehrer die Wunder und die fünfzehn Geheimnisse des heiligen Rosenkranzes ins Lächerliche, was die Bekehrung der Irrgläubigen verhinderte. Um diesen Gottlosen zu strafen, ließ Gott zu, dass fünfzehntausend Teufel seinen Körper in Besitz nahmen. Seine Familie aber führte ihn vor den Heiligen, damit er ihn von den bösen Geistern befreie. Er begann zu beten und ermahnte die Versammelten, mit ihm laut den Psalter zu beten, und siehe da, bei jedem Ave Maria bewirkte die heiligste Jungfrau, dass je hundert Teufel in Form von glühenden Kohlen den Körper des Irrlehrers verließen. Nachdem er befreit war, schwur er seinen Irrtümern ab, bekehrte sich und ließ sich in die Bruderschaft des heiligen Rosenkranzes aufnehmen samt mehreren seiner Partei, die angesichts dieser Strafe und der Kraft des heiligen Rosenkranzes bekehrt worden waren.
Der gelehrte Karthagena aus dem Orden des heiligen Franziskus sowie mehrere andere Autoren berichten folgendes: Als im Jahre 1475 der ehrwürdige Prior Jakob Sprenger O.Pr. und seine Ordensgenossen mit großem Eifer an der Wiederherstellung der Rosenkranzbruderschaft in der Stadt Köln arbeiteten, versuchten zwei berühmte Prediger aus Eifersucht über die großen Erfolge, die Andacht des heiligen Rosenkranzes in ihren Predigten herabzusetzen. Und weil sie begabt waren und großes Ansehen genossen, hielten sie viele Leute davon ab, in die Bruderschaft einzutreten.
Der eine dieser Prediger bereitete eine eigene Predigt vor, um das Ziel seines verderblichen Planes besser zu erreichen, und kündigte sie auf einen Sonntag an. Als die Stunde gekommen war, erschien kein Prediger; man wartete, suchte ihn und fand ihn endlich; er war ohne Beistand plötzlich gestorben.
Der andere Prediger redete sich ein, dieser Unfall sei ganz natürlich und entschloß sich, an seiner Stelle alles aufzubieten, um die Rosenkranzbruderschaft abzuschaffen. Als der Tag und die Stunde der Predigt gekommen war, schlug Gott diesen Prediger mit einer Lähmung, die ihm den Gebrauch der Sprache raubte. Er erkannte seine Schuld und die seines Genossen, nahm in seinem Herzen Zuflucht zur seligsten Jungfrau und versprach ihr, mit derselben Kraft allüberall den Rosenkranz zu predigen, wie er ihn bisher bekämpft hatte. Er bat sie, ihm dafür die Gesundheit und die Sprache wieder zu verleihen, was die gütigste Mutter ihm gewährte, und plötzlich geheilt, erhob er sich wie ein zweiter Saulus, aus einem Verfolger in einen Verteidiger des heiligen Rosenkranzes umgewandelt. Er leistete öffentliche Genugtuung für seine Schuld und predigte mit großem Eifer und Beredsamkeit die Vortrefflichkeit des heiligen Rosenkranzes.
Ich zweifle nicht daran, dass die Freigeister und Kritiker unserer Zeit, welche die Erzählungen dieser kleinen Abhandlung lesen werden, sie in Zweifel ziehen, wie sie es immer getan haben, obwohl ich nichts anderes tat, als sie zum Teil von sehr bewährten Autoren unserer Zeit und zum Teil aus einem Buche zu übernehmen, das vor kurzem von P. Antonius Thomas O.Pr. unter dem Titel „Der geheimnisvolle Rosenstrauch" herausgegeben wurde.
Wie bekannt, gibt es drei verschiedene Arten, einem Berichte Glauben zu schenken: Den Ausführungen der Heiligen Schrift schulden wir göttlichen Glauben; den Profangeschichten, die der Vernunft nicht widersprechen und von zuverlässigen Schriftstellern geschrieben sind, menschlichen Glauben; den frommen Erzählungen, die von bewährten Autoren berichtet werden und auf keine Weise weder der Vernunft, noch dem Glauben, noch den Sitten widersprechen, wären sie auch manchmal außerordentlich, frommen Glauben.
Ich gestehe, dass man weder zu leichtgläubig noch zu kritisch sein darf und in allem den Mittelweg enthalten muss, um den Kern der Wahrheit und der Tugend zu finden; aber ich weiß auch, dass, gleichwie die Liebe alles, was dem Glauben und den Sitten nicht zuwider ist, leicht glaubt: Caritas omnia credit: „Die Liebe glaubt alles" (1 Kor 13,7). So neigt der Stolz dazu, fast alle noch so sehr begründeten Geschichten zu leugnen, unter dem Vorwande, sie stünden nicht in der Heiligen Schrift.
Es ist dies der Fallstrick Satans, in den die Irrlehrer gefallen sind, welche die Überlieferung leugnen, und in den die Kritiker unserer Zeit alle unvermerkt fallen, indem sie nicht glauben, was sie nicht verstehen oder was ihnen nicht einleuchtet, ohne irgendeinen anderen Grund dafür zu haben, als den Stolz und Dünkel ihres Geistes1).
1) Der heilige Verfasser nennt mit obiger Lehre eines der Merkmale, woran man erkennt, ob eine Seele vom Geiste Gottes oder vom bösen oder menschlichen Geiste geleitet ist.
Zweiter Zehner:
Vortrefflichkeit des heiligen Rosenkranzes in den Gebeten, aus denen er besteht
ELFTE ROSE:
Vortrefflichkeit des Credo
Das Credo oder Apostolische Glaubensbekenntnis, das man am Kreuz des Rosenkranzes betet, ist als heiliger Abriß und Inbegriff der christlichen Wahrheiten ein sehr verdienstliches Gebet, weil der Glaube der Grund und das Fundament und der Anfang aller christlichen Tugenden, aller ewigen Tugenden und aller Gott wohlgefälligen Gebete ist. Accedentem ad Deum credere oportet: „Denn wer zu Gott kommen will, muss glauben, dass Er Ist" (Hebr 11,6). Wer sich Gott im Gebete nähern will, muss mit dem Glauben beginnen, und je mehr Glauben er hat, desto mehr Kraft und Verdienst wird sein Gebet in sich selber haben und umso mehr Gott verherrlichen.
Ich halte mich nicht dabei auf, die Worte des Apostolischen Glaubensbekenntnisses zu erläutern; aber ich kann nicht umhin zu erklären, dass die drei ersten Worte: „Credo in Deum, ich glaube an Gott", welche die Akte der drei göttlichen Tugenden, Glaube, Hoffnung und Liebe in sich schließen, eine wunderbare Wirksamkeit besitzen, die Seele zu heiligen und die Dämonen niederzuschmettern. Mit diesen Worten haben manche Heilige die Versuchungen überwunden, besonders jene gegen den Glauben, die Hoffnung und die Liebe, sei es während des Lebens, sei es in der Todesstunde. Das waren die letzten Worte, die der heilige Märtyrer Petrus von Verona so gut es ging, mit dem Finger in den Sand schrieb, nachdem ihm ein Irrlehrer mit einem Säbelhieb den Kopf gespalten hatte und er in den letzten Zügen lag.
Da der Glaube der einzige Schlüssel ist, der zu den im Rosenkranz eingeschlossenen Geheimnissen Jesu und Mariä Eintritt gewährt, muss man ihn mit dem aufmerksamen und andächtigen Beten des Credo beginnen, und je lebendiger und stärker unser Glaube ist, umso verdienstlicher wird auch der Rosenkranz sein.
Dieser Glaube muss lebendig und von der Liebe beseelt sein, d.h. um den Rosenkranz gut zu beten, muss man im Stand der heiligmachenden Gnade sein oder sich wenigstens um Erlangung des Gnadenstandes bemühen.
Der Glaube muss stark und beharrlich sein, d.h. man muss in der Übung des heiligen Rosenkranzes nicht nur fühlbare geistliche Tröstungen suchen, mit anderen Worten, man darf ihn nicht unterlassen, weil man eine Menge unfreiwilliger Zerstreuungen im Geiste, einen unerklärlichen Widerwillen in der Seele, eine niederdrückende Unlust und fast immerwährende Schläfrigkeit im Körper fühlt. Weder fühlbare Tröstungen noch Seufzer noch Gefühlsausbrüche, weder Tränen noch fortwährende Anstrengung der Einbildungskraft sind erfordert, um seinen Rosenkranz gut zu beten. Der reine Glaube und die gute Meinung genügen: Sola fides sufficit.
ZWÖLFTE ROSE:
Das Vaterunser, das Gebet des Herrn
Das Vaterunser oder Gebet des Herrn empfängt seinen ersten Vorzug von seinem Urheber; denn nicht ein Engel oder ein Mensch ist sein Urheber, sondern der König der Engel und Menschen, Jesus Christus selbst.
Es war notwendig, sagt der heilige Cyprian, dass derjenige, der gekommen war, uns als Erlöser das Leben der Gnade zu geben, uns als himmlischer Lehrmeister die Art und Weise zu beten lehre. Die Weisheit dieses himmlischen Lehrers erhellt aus der Ordnung, der Lieblichkeit, der Kraft und Klarheit dieses göttlichen Gebetes; es ist kurz, aber reich an Unterweisung, leicht fassbar für die Einfachen und voll der Geheimnisse für die Gelehrten.
Das Vaterunser enthält alle Aufgaben, die wir Gott gegenüber zu erfüllen haben, die Akte aller Tugenden und die Bitten für alle unsere geistigen und leiblichen Bedürfnisse. Es enthält, sagt Tertullian, den Abriß des Evangeliums. Es übersteigt, sagt Thomas von Kempen, alle Wünsche der Heiligen; es enthält im Auszug alle lieblichen Lehren der Psalmen und Gesänge; es bittet um alles, was uns nötig ist; es lobt Gott auf vorzügliche Weise; es erhebt die Seele von der Erde zum Himmel und vereinigt sie innigst mit Gott.
Der heilige Chrysostomus sagt, wer nicht so bete, wie der göttliche Meister gebetet und zu beten gelehrt, sei nicht Sein Schüler, und Gott der Vater höre die die Gebete nicht gern, die der menschliche Geist ersonnen, wohl aber jene, die Sein Sohn uns gelehrt.
Wir müssen das Gebet des Herrn mit der Gewißheit verrichten, dass der ewige Vater es erhören wird, weil es das Gebet Seines Sohnes ist, den Er immer erhört, und weil wir dessen Glieder sind; denn was könnte ein so gütiger Vater auf ein Bittgesuch hin verweigern, das so gut abgefaßt ist und sich auf die Verdienste und die Empfehlung eines so würdigen Sohnes stützt?
Der heilige Augustinus versichert, ein gut verrichtetes Vaterunser tilge die läßlichen Sünden. Der Gerechte fällt siebenmal des Tages (Sprw. 24,16). Das Gebet des Herrn enthält sieben Bitten, durch die er seine Fälle wiedergutmachen und sich gegen seine Feinde stärken kann. Es ist kurz und leicht, damit wir gebrechliche und vielerlei Elend unterworfene Menschen umso raschere Hilfe finden, je öfter und andächtiger wir es beten.
Täuschet euch also nicht, ihr frommen Seelen, die ihr das Gebet vernachlässigt, welches der eingeborne Sohn Gottes verfaßt und allen Seinen Gläubigen vorgeschrieben hat, die ihr nur jene Gebete schätzet, die von Menschen verfaßt sind, als ob der Mensch, selbst der erleuchteste, besser als Jesus Christus wüßte, wie wir beten sollen.
Ihr sucht in den Büchern der Menschen die Art, Gott zu loben und zu bitten, als ob ihr euch schämen würdet, euch derjenigen zu bedienen, die Sein göttlicher Sohn uns vorgeschrieben.
Ihr bildet euch ein, die Gebete in den Büchern seien für die Gelehrten und die Reichen, und der Rosenkranz sei nur für die Weiber, die Kinder und das Volk, als ob die Lobeserhebungen und Bitten, die ihr lest, schöner und Gott angenehmer wären als jene, die im Gebet des Herrn enthalten sind.
Es ist eine gefährliche Versuchung, sich das Gebet verleiden zu lassen, das uns Jesus Christus anempfohlen hat, um dafür von Menschen verfaßte Gebete zu gebrauchen.
Wir mißbilligen keineswegs jene Gebete, welche die Heiligen verfaßten, um die Menschen zum Lobe Gottes anzueifem, wir können nur nicht zustimmen, dass man sie jenem Gebete vorziehe, das aus dem Munde der Menschgewordenen Weisheit hervorgegangen ist; dass man die Quelle verlasse, um den Bächen nachzulaufen, das klare Wasser verschmähe, um das getrübte zu trinken. Denn der Rosenkranz, aus dem Gebet des Herrn und dem Engelsgruße zusammengesetzt, ist das klare und immerwährende Wasser, das aus der Gnadenquelle strömt, während die übrigen Gebete, die man in den Büchern sucht, nichts sind als kleine Bächlein, die davon abgeleitet werden.
Wir können denjenigen glücklich preisen, der, das Gebet des Herrn verrichtend, jedes Wort aufmerksam erwägt; dort findet er, was er nötig hat, alles, was er wünschen kann.
Wenn wir dieses bewunderungswürdige Gebet verrichten, gewinnen wir zuallererst das Herz Gottes, indem wir Ihn mit dem süßen Namen Vater anrufen:
Vater unser, du, der zärtlichste aller Väter, allmächtig in der Schöpfung, ganz bewunderungswürdig in der Erhaltung, ganz liebenswürdig in der Vorsehung, ganz gütig, unendlich gut in der Erlösung. Gott ist unser Vater, wir alle sind Brüder, der Himmel ist unsere Heimat, unser Erbe. Ist das nicht genug, um uns zugleich die Liebe zu Gott, die Liebe zum Nächsten und Losschälung von allen irdischen Dingen einzuflößen? Lieben wir also einen solchen Vater und sagen wir Ihm tausend- und abertausendmal:
Vater unser, der Du bist in dem Himmel. Der Du den Himmel und die Erde durch die Unermeßlichkeit Deines Wesens erfüllst, allgegenwärtig, der Du in den Heiligen bist mit Deiner Herrlichkeit, in den Verdammten mit Deiner Gerechtigkeit, in den Gerechten durch Deine Gnade, in den Sündern durch Deine Geduld, mit der Du sie erträgst, bewirke, dass wir uns immer unseres himmlischen Ursprungs erinnern, immer als Deine wahren Kinder leben, und dass wir mit aller Glut unserer Wünsche nach Dir hinstreben.
Geheiligt werde Dein Name. „Der Name des Herrn ist heilig und fruchtbar", sagt der königliche Prophet (Ps 110,9), und nach Isaias widerhallt der Himmel vom Lobe, das die Seraphim der Heiligkeit des Herrn der Heerscharen unaufhörlich dar bringen (Is 6,2-4). In dieser Bitte verlangen wir, dass die ganze Erde die Eigenschaften des so großen und so heiligen Gottes erkenne und anbete: dass Er erkannt, geliebt und angebetet werde von den Heiden, Türken, Juden, Barbaren und allen Ungläubigen, dass alle Menschen Ihm dienen und Ihn verherrlichen durch lebendigen Glauben, feste Hoffnung, feurige Liebe und durch die Abwendung von allem Irrtum: mit einem Worte, dass alle Menschen heilig seien, weil Er selbst heilig ist.
Zu uns komme Dein Reich. Mögest Du in diesem Leben durch Deine Gnade in unseren Seelen herrschen, damit wir verdienen, nach unserem Tode mit Dir in Deinem Reiche zu herrschen, denn das ist die höchste und ewige Glückseligkeit, an die wir glauben, auf die wir hoffen, und die wir erwarten, jene Glückseligkeit, die uns durch die Güte das Vaters versprochen, durch die Verdienste des Sohnes erworben, und durch das Licht des Heiligen Geistes geoffenbart worden ist.
Dein Wille geschehe wie im Himmel, also auch auf Erden. Ohne Zweifel kann sich nichts den Absichten der Göttlichen Vorsehung entziehen, die alles vorausgesehen, alles schon vor dem Eintreffen angeordnet hat; nichts kann sie von dem Ziele abbringen, das sie sich gesetzt. Wenn wir daher Gott bitten, dass Sein Wille geschehe, so tun wir das nicht, sagt Tertullian, weil wir fürchten, es könnte sich jemand der Ausführung Seiner Absichten wirksam widersetzen, sondern weil wir uns demütig allen Seinen Anordnungen unterwerfen wollen, so dass wir immer und in allem Seinen heiligsten Willen, der uns aus Seinen Geboten bekannt ist, mit jener Bereitwilligkeit, Liebe und Beharrlichkeit erfüllen, mit welcher Ihm die Engel und Heiligen im Himmel gehorchen.
Unser tägliches Brot gib uns heute. Jesus Christus lehrt uns, Gott um alles zu bitten, was uns für das Leben des Leibes und der Seele notwendig ist. Durch diese Worte des Vaterunsers legen wir das demütige Geständnis unseres Elendes ab und ehren die göttliche Vorsehung, indem wir erklären, dass wir glauben, von Gottes Güte alle unsere zeitlichen Güter zu erhalten.
Mit dem Worte Brot bitten wir für heute, d.h. wir beschränken all unsere Sorge auf den heutigen Tag und überlassen uns für den morgigen der Vorsehung (Mt 6,25/34).
Wir bitten um das tägliche Brot und gestehen dadurch, dass unsere Bedürfnisse täglich wiederkehren und bezeugen so unsere fortwährende Abhängigkeit vom Schutze und der Hilfe Gottes.
Vergib uns unsere Schuld, wie auch wir vergeben unseren Schuldigem. Unsere Sünden, sagen der heilige Augustin und Tertullian, sind ebensoviele Schulden, die wir uns Gott gegenüber aufladen, und Seine Gerechtigkeit fordert die Bezahlung bis auf den letzten Heller. Wir alle haben diese traurigen Schulden. Trotz der großen Zahl unserer Sünden wollen wir uns also vertrauensvoll Ihm nahen und mit wahrer Reue zu Ihm sprechen: Vater unser, der Du bist in dem Himmel, verzeihe uns die Sünden unseres Herzens und der Zunge, die Sünden, die wir durch Tat oder durch Unterlassung des Guten begangen haben und die uns in den Augen Deiner Gerechtigkeit unendlich schuldbar machen. Als Kinder eines gütigen und barmherzigen Vaters verzeihen auch wir aus Gehorsam und Liebe denen, die uns beleidigt haben.
Und führe uns nicht in Versuchung. Gestatte nicht, dass wir wegen unserer Untreue gegen Deine Gnaden den Versuchungen der Welt, des Teufels und des Fleisches unterliegen.
Sondern erlöse uns von dem Übel, nämlich der Sünde, von dem Übel der zeitlichen und ewigen Strafen, die wir verdient haben.
Amen. Ein trostreiches Wort, wie der heilige Hieronymus sagt, welches gleichsam das Siegel ist, das Gott an den Schluss unserer Bittschriften setzt, um uns zu versichern, dass Er uns erhört hat. Es ist, als wenn Gott selbst sagte: „Amen! Wie ihr gebeten, so soll es geschehen, ihr habt es in Wahrheit empfangen“; denn das ist die Bedeutung des Wortes „Amen“.
DREIZEHNTE ROSE:
Das Vaterunser, die Verherrlichung der Vollkommenheiten Gottes
Wir ehren bei jedem Wort des Vaterunsers die Vollkommenheiten Gottes. Durch den Namen Vater ehren wir Seine Fruchtbarkeit. Vater, der Du von Ewigkeit her einen Sohn erzeugst, der Gott ist wie Du, ewig, wesensgleich, der mit Dir die gleiche Wesenheit, die gleiche Macht, die gleiche Güte, die gleiche Weisheit ist! Vater und Sohn, die Ihr, indem Ihr euch liebt, den Heiligen Geist hervorbringt, der Gott ist wie Ihr! Drei anbetungswürdige Personen, die Ihr nur ein Gott seid!
Vater unser! Das heißt Vater der Menschen durch die Schöpfung, Erhaltung und Erlösung, ein barmherziger Vater gegen die Sünder, Vater, liebevoll gegen die Gerechten, Vater, herrlich und glorreich für die Seligen.
Der Du bist. Durch diese Worte bewundern wir die Unendlichkeit, Größe und Fülle der Wesenheit Gottes, der sich in Wahrheit nennt: „Derjenige, Der Ist", d.h. der wesentlich, notwendig und ewig existiert, das Wesen der Wesen, die Ursache aller Dinge; der auf hervorragende Weise in Sich Selbst die Vollkommenheiten aller Wesen einschließt, der durch Seine Wesenheit, Seine Gegenwart und Seine Macht in allem ist, ohne darin eingeschlossen zu sein.
Wir ehren Seine Erhabenheit, Glorie und Majestät mit den Worten: Der Du bist in dem Himmel, d.h. der Du bist auf Deinem Throne sitzend, auf dem Du Deine Herrschaft über alle Menschen ausübst.
Wir beten Seine Heiligkeit an, indem wir beten, Dein Name werde geheiliget.
Wir anerkennen Seine Oberhoheit und die Gerechtigkeit Seiner Satzungen, indem wir verlangen, dass Sein Reich kommen möge, und dass die Menschen auf Erden Ihm ebenso gehorchen möchten, wie die Engel im Himmel Ihm gehorchen.
Wir glauben an Seine Vorsehung, wenn wir beten, Er möge uns unser tägliches Brot geben.
Wir rufen Seine Barmherzigkeit an, da wir Ihn um Vergebung unserer Sünden bitten.
Wir handeln nach Seiner Weisung, indem auch wir willig sind unseren Schuldigern zu verzeihen.
Wir nehmen Zuflucht zu Seiner großen Macht, indem wir Ihn bitten, Er möge uns in der Versuchung nicht fallenlassen und drücken unseren Glauben an Seine Güte mit der Hoffnung aus, dass Er uns vom Übel befreien möge.
Der Sohn Gottes hat immer in Seinen Werken den Vater verherrlicht. Er kam in diese Welt, damit die Menschen den Vater verherrlichen. Er lehrte sie die Art und Weise, wie sie Ihn ehren könnten, indem Er sich würdigte, dieses Gebet selbst zu verfassen. Deshalb sollen wir es oft beten und mit derselben Gesinnung, in der Er es verfaßt hat.
VIERZEHNTE ROSE:
Das Vaterunser, die vortrefflichste Übung der christlichen Tugenden
Wenn wir dieses göttliche Gebet andächtig verrichten, erwecken wir ebensoviele Akte der vornehmsten Tugenden, als wir Worte aussprechen.
Bei den Worten: „Vater unser, der Du bist in dem Himmel“, üben wir Akte des Glaubens, der Anbetung und der Demut.
Durch den Wunsch, dass Sein Name geheiligt und verherrlicht werde, zeigen wir einen glühenden Eifer für Seine Ehre.
Bei der Bitte um den Besitz Seines Reiches erwecken wir einen Akt der Hoffnung.
Indem wir wünschen, dass Sein Wille auf Erden wie im Himmel erfüllt werde, zeigen wir den Geist vollkommenen Gehorsams.
Bitten wir um unser tägliches Brot, so üben wir die Armut im Geiste und die Losschälung von den Gütern der Welt.
Wenn wir Gott bitten, uns unsere Sünden zu verzeihen, so erwecken wir einen Akt der Reue.
Und indem wir jenen verzeihen, die uns beleidigt haben, üben wir auf das vollkommenste die Barmherzigkeit.
Wenn wir Ihn um Hilfe in den Versuchungen bitten, erwecken wir Akte der Demut, Klugheit und des Starkmutes.
Indem wir erwarten, dass Er uns vom Übel erlöse, üben wir die Geduld.
Da wir endlich dies alles nicht nur für uns, sondern auch für unseren Nächsten und für alle Glieder der Kirche erbitten, erfüllen wir die Aufgabe als wahre Kinder Gottes, ahmen wir Ihn in Seiner Liebe nach, die alle Menschen umfaßt und bringen das Gebot der Nächstenliebe zur Ausübung.
Wir verabscheuen alle Sünden und halten alle Gebote Gottes, wenn sich bei diesem Gebet unser Herz mit der Zunge vereint und wir keine dem Sinn dieser göttlichen Worte widersprechenden Absichten haben.
Denn wenn wir darüber nachdenken, dass Gott im Himmel ist, d.h. unendlich über uns erhaben durch die Größe Seiner Majestät, so werden wir mit der Gesinnung der tiefsten Ehrfurcht von Seiner Gegenwart erfüllt; ganz von heiliger Furcht durchdrungen fliehen wir den Stolz und erniedrigen uns bis ins Nichts.
Indem wir den Namen Vater aussprechen und uns daran erinnern, dass wir von Gott durch die Vermittlung der Eltern das Dasein, sowie durch unsere Lehrer den Unterricht empfangen haben, so fühlen wir uns verpflichtet, sie oder vielmehr Gott in ihrer Person zu ehren, und wir hüten uns wohl, sie zu verachten oder zu betrüben; denn als Seine lebendigen Abbilder sind sie für uns Seine Stellvertreter hienieden.
Wir sind von Gotteslästerung nie weiter entfernt als wenn wir beten, dass der heilige Name Gottes verherrlicht werde.
Wenn wir das Himmelreich als unser Erbe betrachten, entsagen wir all unserer Anhänglichkeit an die Güter dieser Welt.
Wenn wir aufrichtig für unseren Nächsten dieselben Güter erbitten, wie für uns selbst, so widersagen wir dem Haß, der Uneinigkeit und dem Neid.
Indem wir Gott um das tägliche Brot bitten, verabscheuen wir die Unmäßigkeit und Wollust, die sich vom Überfluß nähren.
Während wir Gott wahrhaft bitten, uns zu verzeihen, wie auch wir denen verzeihen, die uns beleidigt haben, unterdrücken wir unseren Zorn und die Rachsucht, erweisen wir Gutes für das Böse und lieben wir unsere Feinde.
Wenn wir Gott bitten, im Augenblick der Versuchung uns nicht in die Sünde fallen zu lassen, zeigen wir, dass wir die Trägheit fliehen, und dass wir die Mittel suchen, um die Laster zu bekämpfen und unser Heil zu wirken.
Indem wir Gott bitten, uns vom Übel zu befreien, fürchten wir Seine Gerechtigkeit und sind glücklich, denn die Furcht des Herrn ist der Anfang der Weisheit (Ps 110,10); durch die Furcht Gottes vermeidet der Mensch die Sünde.
FÜNFZEHNTE ROSE:
Vortrefflichkeit des Ave Maria
Das Ave Maria ist so hoch, so erhaben, dass der selige Alanus glaubte, kein Geschöpf könne es verstehen, und nur Jesus Christus, geboren aus Maria der Jungfrau, könne es erklären. Es erhält seinen hohen Wert hauptsächlich von der Allerseligsten Jungfrau, an die es gerichtet war, vom Zweck der Menschwerdung des Wortes, zu welchem Zweck es vom Himmel gesandt wurde, und vom Erzengel Gabriel, der es zuerst ausgesprochen hat.
Der Engelsgruß faßt mit größter Kürze die ganze christliche Theologie über die Gottesmutter zusammen. Man findet darin das Lob und die Anrufung. Das Lob schließt alles in sich ein, was die wahre Größe Mariä ausmacht; die Anrufung enthält alles, um was wir sie bitten sollen und was wir von ihrer Güte für uns erwarten dürfen.
Die Heiligste Dreifaltigkeit hat den ersten Teil geoffenbart („Gegrüßt seist Du, voll der Gnade! Der Herr ist mit Dir." (Lk 1,28)), die heilige Elisabeth hat, vom Heiligen Geiste erleuchtet, den zweiten Teil beigefügt („Du bist gebenedeit unter den Weibern und gebenedeit ist die Frucht Deines Leibes." (Lk 1,42)); und die Kirche fügte auf dem ersten Konzil von Ephesus im Jahre 431 den Schluss hinzu, nachdem sie die Irrlehre des Nestorius verurteilt und definiert hatte, dass die Allerseligste Jungfrau in Wahrheit Gottesgebärerin ist. Das Konzil verordnete, dass man die Allerseligste Jungfrau unter diesem glorreichen Titel mit folgenden Worten anrufe: Heilige Maria, Mutter Gottes, bitte für uns Sünder, jetzt und in der Stunde unseres Todes.
Die Allerseligste Jungfrau war es, der dieser göttliche Gruß dargebracht wurde, um die größte und wichtigste Angelegenheit der Welt zu erledigen, die Menschwerdung des ewigen Wortes, die Versöhnung Gottes mit den Menschen und die Erlösung des Menschengeschlechtes. Der Gesandte dieser glücklichen Botschaft war der Erzengel Gabriel, einer der obersten Fürsten des himmlischen Hofes.
Der Engelsgruß enthält den Glauben und die Hoffnung der Patriarchen, Propheten und Apostel. Er ist die Ausdauer und Stärke der Märtyrer, die Wissenschaft der Gelehrten, die Beharrlichkeit der Bekenner und das Leben der Ordensleute. Er ist das neue Hohelied des Gesetzes der Gnade, die Freude der Engel und Menschen, der Schrecken und die Beschämung der Dämonen.
Durch das Ave Maria wurde Gott Mensch, eine Jungfrau Gottesmutter, wurden die Seelen der Gerechten aus der Vorhölle befreit, die Verluste des Himmels wiederhergestellt, die leeren Throne besetzt, wurde die Sünde vergeben, die Gnade aufs neue geschenkt, wurden die Kranken geheilt, die Toten erweckt, die Verbannten zurückgerufen, wurde die Allerheiligste Dreifaltigkeit besänftigt und die Menschen erhielten das ewige Leben. Endlich ist der Engelsgruß der Regenbogen, das Zeichen der Milde und Gnade, die Gott der Welt angedeihen ließ.
SECHZEHNTE ROSE:
Schönheiten des Ave Maria
Obgleich es nichts Erhabeneres gibt als die göttliche Majestät, nichts Erbärmlicheres als der Mensch, insofern er Sünder ist, so verschmäht trotzdem diese höchste Majestät unsere Huldigungen nicht, sondern wird geehrt, wenn wir ihr Lob singen. Und der Gruß des Engels ist einer der schönsten Lobgesänge, die wir dem Allerhöchsten darbringen können. Canticum novum cantabotibi: Ein neues Lied will ich Dir singen! (Ps 143,9) Dieses neue Lied, von dem David vorausgesagt hat, man werde es bei der Ankunft des Messias singen, ist der Gruß des Erzengels.
Es gibt einen alten und einen neuen Lobgesang. Der alte ist jener, den die Israeliten zum Danke für die Schöpfung, die Erhaltung, die Befreiung aus ihrer Gefangenschaft, für den Durchgang durch das rote Meer, für das Manna und für alle übrigen Wohltaten des Himmels gesungen haben.
Das neue Lied hingegen ist jenes, das die Christen singen zum Danke für die Menschwerdung und für die Erlösung. Gleichwie diese Geheimnisse durch den Gruß des Engels verwirklicht wurden, so wiederholen wir denselben Gruß, um der Allerheiligsten Dreifaltigkeit für diese unschätzbaren Wohltaten zu danken.
Wir loben Gott den Vater, weil Er die Welt so sehr geliebt, dass Er ihr Seinen eingeborenen Sohn als Erlöser hingegeben (Joh 3,16). Wir preisen den Sohn, weil Er vom Himmel auf die Erde herabgestiegen ist, Mensch geworden und uns erkauft hat. Wir verherrlichen den Heiligen Geist, weil Er im Schoße der Allerseligsten Jungfrau den reinsten Leib gebildet hat, der das Opferlamm für unsere Sünden geworden ist. In diesem Geiste der Dankbarkeit sollen wir den Englischen Gruß beten, indem wir Akte des Glaubens, der Hoffnung, der Liebe und des Dankes für die Wohltat unseres Heils erwecket.
Obwohl sich das neue Lied unmittelbar an die Mutter Gottes richtet und ihr Lob enthält, ist es dennoch sehr glorreich für die Heiligste Dreifaltigkeit, weil alle Ehre, die wir Maria erweisen, auf Gott als auf die Ursache aller ihrer Vollkommenheiten und Tugenden zurückstrahlt. Gott der Vater wird verherrlicht, indem wir das vollkommenste aller Seiner Geschöpfe ehren. Der Sohn wird verherrlicht, weil wir Seine reinste Mutter loben. Der Heilige Geist wird verherrlicht, indem wir die Gnadenschätze bewundern, mit denen Er Seine Braut ausgestattet hat.
Wie die heiligste Jungfrau durch ihren schönen Gesang, das Magnificat, auf Gott die Lobpreisungen bezog, die ihr die heilige Elisabeth wegen ihrer ausgezeichneten Würde als Mutter des Herrn dar brachte, so gibt sie sofort Gott das Lob zurück, das wir durch das Ave Maria ihr darbringen.
Nicht nur gereicht der Englische Gruß der Heiligsten Dreifaltigkeit zur Verherrlichung, sondern er ist auch das vollkommenste Lob, das wir Maria spenden können.
Als die heilige Mechtildis (aus dem Orden des hl. Benedikt, + 1294) einmal wissen wollte, auf welche Weise sie der Mutter Gottes die Zärtlichkeit ihrer Verehrung besser bezeigen könnte, fiel sie in Verzückung, und es erschien ihr die Allerseligste Jungfrau. Sie trug auf ihrer Brust den Englischen Gruß in goldenen Buchstaben und sprach zu ihr: „Wisse, meine Tochter, dass niemand mich mit einem angenehmeren Gruße ehren kann als mit jenem, den mir die Heiligste Dreifaltigkeit darbringen ließ und durch den sie mich zur Würde der Gottesmutter erhoben hat.
Durch das Wort „Ave", das der umgekehrte Name „Eva" ist, erfuhr ich, dass Gott durch seine Allmacht mich vor der Sünde und vor allem Elend bewahrt hatte, dem das erste Weib unterworfen wurde.
Der Name „Maria", der bedeutet „Frau des Lichtes", versinnbildet, dass Gott mich wie einen leuchtenden Stern mit Weisheit und Licht erfüllt hat, um Himmel und Erde zu erleuchten.
Die Worte: „Voll der Gnade" halten mir vor Augen, dass der Heilige Geist mich mit so vielen Gnaden überhäuft hat, dass ich davon überreichlich jenen mitteilen kann, die durch meine Vermittlung darum bitten.
Durch die Worte: „Der Herr ist mit Dir" erneuert man in mir die unaussprechliche Freude, die ich empfand, als das Ewige Wort in meinem Schoße Fleisch annahm.
Wenn man mir sagt: „Du bist gebenedeit unter den Weibern", so lobe ich die göttliche Barmherzigkeit, die mich bis zu dieser hohen Würde erhoben hat. Bei den Worten: „Gebenedeit ist die Frucht Deines Leibes, Jesus", freut sich der ganze Himmel mit mir, dass mein Sohn Jesus angebetet und verherrlicht wird, weil Er die Menschen erlöst hat."
SIEBZEHNTE ROSE:
Wunderbare Früchte des Ave Maria
Unter den vielen wunderbaren Dingen, die die Allerseligste Jungfrau Maria dem seligen Alanus de Rupe offenbarte, (und wir wissen, dass dieser große Marienverehrer seine Offenbarungen durch einen Eid bekräftigt hat) sind drei besonders beachtenswert.
Erstens: Es ist ein Zeichen seiner wahrscheinlich kurz bevorstehenden ewigen Verdamnis, wenn ein Mensch Nachlässigkeit, Überdruss, Oberflächlichkeit oder Abneigung gegen den Englischen Gruß, der die ganze Welt wiederhergestellt hat, empfindet bzw. ihn zu beten vernachlässigt.
Zweitens: Diejenigen, die gegen diesen göttlichen Gruß Verehrung tragen, besitzen ein großes Zeichen der Auserwählung.
Drittens: Jene, die vom Himmel die Gnade erhalten haben, die Allerseligste Jungfrau zu lieben und ihr mit Hingebung zu dienen, müssen äußerst sorgfältig fortfahren, sie zu lieben und ihr zu dienen, bis diese gute Mutter sie durch ihren Sohn in den Himmel, in jenen Grad der Glorie aufnimmt, der ihren Verdiensten entspricht.
Alle Irrlehrer, die alle Kinder des Teufels sind und die augenscheinlichen Kennzeichen der Verwerfung an sich tragen, haben Abscheu vor dem Ave Maria; sie lernen noch das Vaterunser, nicht aber das Ave Maria; ja sie würden lieber eine Schlange bei sich tragen, als einen Rosenkranz.
Jene Katholiken, welche das Zeichen der Verdammung an sich tragen, kümmern sich wenig um den Rosenkranz; sie unterlassen es, ihn zu beten oder beten ihn nur lau und flüchtig. Selbst wenn ich den Offenbarungen des seligen Alanus nicht frommen Glauben schenken würde, so genügte meine Erfahrung, um von dieser schrecklichen und doch so tröstlichen Wahrheit überzeugt zu sein. Ich weiß nicht und verstehe auch nicht mit voller Klarheit, wie eine dem Anscheine nach so kleine Andacht das unfehlbare Zeichen der Verwerfung sein kann. Und doch ist nichts gewisser: wir sehen ja, wie die neuen Irrlehrer unserer Tage, die von der Kirche verurteilt worden sind, trotz all ihrer scheinbaren Frömmigkeit die Andacht des heiligen Rosenkranzes sehr vernachlässigen und sie oft jenen aus dem Sinn und Herzen rauben, mit denen sie verkehren, und zwar unter den schönsten Vorwänden. Sie hüten sich wohl, den Rosenkranz und das Skapulier offen zu verurteilen, wie die Protestanten, aber die Art ihres Vorgehens ist umso verderblicher, je feiner sie ist. Wir werden in der Folge davon sprechen.
Mein Ave Maria, mein Psalter oder Rosenkranz ist das Gebet und der sicherste Prüfstein, um jene, die vom Geiste Gottes geführt werden, zu unterscheiden von denen, die sich in der Täuschung des bösen Geistes befinden. Ich habe Seelen gekannt, die scheinbar wie Adler durch ihre erhabene Beschauung sich bis zu den Wolken erhoben, und die indessen unglücklicherweise durch den Teufel betrogen waren, und ich habe ihre Täuschung nicht anders aufdecken können als durch das Ave Maria und den Rosenkranz, den sie zurückwiesen, als ob sie darüber erhaben wären.
Das Ave Maria ist ein himmlischer und göttlicher Tau, der vom Himmel auf die Seelen der Prädestinierten fällt. Es verleiht ihnen eine wunderbare geistliche Fruchtbarkeit, damit sie in allen Tugenden wachsen können. Je mehr der Garten der Seele von diesem Gebete bewässert wird, desto erleuchteter wird der Verstand, desto eifriger das Herz und desto stärker die Rüstung gegen ihre geistlichen Feinde.“
Das Ave Maria ist ein scharfer und feuriger Pfeil, der, in Verbindung mit dem Worte Gottes, dem Prediger die Kraft verleiht, die härtesten Herzen zu durchdringen, zu rühren und zu bekehren, wenn auch ein Priester wenig natürliches Talent zum Predigen besäße.
Das war der geheimnisvolle Schachzug, den die Himmelskönigin, wie ich schon gesagt habe, den heiligen Dominikus und den seligen Alanus gelehrt, um die Häretiker und Sünder zu bekehren.
Daher kommt auch der Gebrauch der Prediger, bei Beginn der Predigt ein Ave Maria zu beten, wie der heilige Antonius versichert.
ACHTZEHNTE ROSE:
Die Segnungen des Ave Maria
Dieser göttliche Gruß zieht auf uns den überreichlichen Segen Jesu und Mariä herab, denn es ist ein unfehlbarer Grundsatz, dass Jesus und Maria diejenigen herrlich belohnen, die sie verherrlichen. Sie vergelten hundertfach die Lobpreisungen, die man ihnen spendet.
Ego diligentes me diligo ... ut ditem diligentes me et thesauros eorum repleam. Laut rufen es Jesus und Maria uns zu: „Wir lieben jene, die uns lieben, wir bereichern sie und füllen ihre Vorratskammern!" (Sprw. 8,17/21) Qui seminat in benedictionibus, de benedictionibus et metet: „Wer in Segensfülle sät, wird auch in Segensfülle ernten" (2 Kor 9,6). Heißt es aber nicht Jesus und Maria lieben, lobpreisen und verherrlichen, wenn man das Ave Maria andächtig betet?
Mit jedem Ave Maria bringt man Jesus und Maria zwei Segenswünsche dar. „Du bist gebenedeit unter den Weibern, und gebenedeit ist die Frucht Deines Leibes, Jesus."
Mit jedem Ave Maria erweisest du Maria dieselbe Ehre, die Gott ihr durch den Gruß des Erzengels Gabriel erwies. Wer möchte glauben, dass Jesus und Maria, die oftmals denen Gutes tun, die ihnen fluchen, mit Fluch jene beladen könnten, die sie durch das Ave Maria benedeien und ehren?
Die Himmelskönigin, sagt der heilige Bernhard mit dem heiligen Bonaventura, ist nicht weniger dankbar und edel als die wohlgebildeten vornehmen Personen dieser Welt; sie übertrifft sie sogar in dieser Tugend wie in allen anderen Vollkommenheiten; sie wird also niemals zulassen, dass wir sie mit Hochachtung ehren, ohne es uns hundertfach zu vergelten.
Maria, sagt der heilige Bonaventura, grüßt uns mit der Gnade, wenn wir sie mit dem Ave Maria grüßen: Ipsa salutabit nos cum gratia, si salutaverimus eam cum Ave Maria.
Wer könnte die Gnaden und Segnungen begreifen, die der Gruß und der huldvolle Blick dieser süßen Mutter in uns bewirken? In dem Augenblicke, da die heilige Elisabeth den Gruß der Gottesmutter hörte, wurde sie vom Heiligen Geiste erfüllt, und das Kind, das sie in ihrem Schoße trug, hüpfte auf vor Freude (Lk 1,41). Wenn wir uns des Gegengrußes der Allerseligsten Jungfrau würdig machen, werden wir ohne Zweifel mit Gnade erfüllt und ein Strom von geistlichen Tröstungen wird in unsere Seelen fließen.
NEUNZEHNTE ROSE:
Glücklicher Tausch!
Es steht geschrieben: „Gebet, so wird euch gegeben werden" (Lk 6,38). Nehmen wir den Vergleich des seligen Alanus: Wenn ich dir täglich hundertfünfzig Diamanten schenkte, würdest du mir nicht verzeihen, selbst wenn du mein Feind wärest? Würdest du mir nicht wie einem Freunde alles Gute erweisen, das in deiner Macht stünde?
Willst du dich mit Gütern der Gnade und Glorie bereichern, dann grüße die Allerseligste Jungfrau, ehre deine gute Mutter. Sicut qui thesaurizat, ita et qui honorificat matrem suam. Gleich einem, der Schätze sammelt, so ist der Mensch, der seine Mutter, die allerseligste Jungfrau Maria, ehrt (vgl. Ekkli 3,5).
Bringe ihr wenigstens täglich fünfzig Ave Maria dar, wovon jedes fünfzehn Edelsteine enthält, die ihr angenehmer sind als alle Reichtümer der Welt. Was kannst du von ihrer Freigebigkeit nicht alles erwarten? Sie ist ja unsere Mutter. Sie ist die Kaiserin des Weltalls, die uns mehr liebt, als alle Mütter und Königinnen zusammen je einen sterblichen Menschen geliebt haben, denn, sagt der heilige Augustin, die Liebe der Jungfrau Maria übersteigt jede natürliche Liebe aller Menschen und Engel.
Eines Tages erschien der göttliche Heiland der heiligen Gertrud, indem Er Goldstücke zählte. Sie hatte die Kühnheit, zu fragen, was Er zähle. „Ich zähle", sagte Jesus Christus, „deine Ave Maria: das ist die Münze, mit der man Mein Paradies kauft."
Der fromme und gelehrte Suarez aus der Gesellschaft Jesu schätzte das Verdienst des Englischen Grußes so hoch, dass er sagte, er hätte gern seine ganze Wissenschaft um den Preis eines gut gebeteten Ave Maria hingegeben.
„O, dass doch jeder, der Dich liebt, o göttliche Mutter", sagt der selige Alanus zu ihr, „höre und verkoste:
Es freut sich der Himmel, es staunet die Erde,
Wenn ich bete Ave Maria.
Es flüchtet sich Satan, erbebet die Hölle,
Wenn ich bete Ave Maria.
Fern blüht von der Welt Lust Gotteslieb' in der Brust,
Wenn ich bete Ave Maria.
Meine Ängste vergehen, Leidenschaften verwehen,
Wenn ich bete Ave Maria.
Meine Trauer zerstreut sich, und die Freude erneut sich,
Wenn ich bete Ave Maria.
Es wächst meine Sammlung, ich finde Zerknirschung,
Wenn ich bete Ave Maria.
Meine Hoffnung belebt sich, die Tröstung erhebt mich,
Wenn ich bete Ave Maria.
Die Seele erholt sich, in Tugend erstarkt das Kummerherz fühlt sich,
Wenn ich bete Ave Maria."
Denn die Süßigkeit dieses gesegneten Grußes ist so groß, dass man keinen Ausdruck dafür findet, um ihn würdig zu erklären; und nachdem man Wunderbares von ihm gesagt hat, bleibt er so verborgen und so tief, dass kein Geschöpf ihn ergründen kann. Dieses heilbringende Gebet ist klein an Worten, aber groß an Geheimnissen, (kurz in der Rede, aber von hoher Kraft); dieser Gruß ist süßer als Honig und kostbarer als Gold. Man muss ihn immer im Herzen haben, um ihn zu betrachten, und häufig im Munde, um ihn zu beten und andächtig zu wiederholen."
In lateinischer Sprache heißt das:
Derselbe Alanus erzählt, eine dem Rosenkranz sehr ergebene Klosterfrau sei nach dem Tode einer ihrer Mitschwestern erschienen und habe gesagt: „Wenn ich in meinen Leib zurückkehren dürfte, um nur ein einziges Ave Maria, selbst ohne besonderen Eifer, zu beten und das Verdienst dieses Gebetes zu erhalten, würde ich gerne alle Qualen von neuem ertragen, die ich vor meinem Tode gelitten." Es ist zu beachten, dass sie einige Jahre lang in ihrem Bette furchtbare Schmerzen gelitten hatte.
Michael von Lille, Erzbischof von Salubre, Jünger und Mitarbeiter des seligen Alanus in der Erneuerung des heiligen Rosenkranzes, sagt, der Engelsgruß sei das Heilmittel gegen alle Übel, die uns bedrängen, wenn wir ihn zu Ehren der Allerseligsten Jungfrau andächtig beten.
ZWANZIGSTE ROSE:
Kurze Erklärung des Ave Maria
Leidest du unter dem Elend der Sünde, so rufe die göttliche Mutter an und sage ihr: „Ave", d.h. „Gegrüßet seist Du in tiefster Ehrfurcht, o Maria, die du ganz selig bist." Sie wird dich aus dem Übel deiner Sünden befreien.
Bist du in der Finsternis der Unwissenheit oder des Irrtums befangen, so gehe zu Maria und sage ihr: „Ave Maria, ganz durchleuchtet von den Strahlen der Sonne der Gerechtigkeit", und sie wird dir von ihrem Lichte mitteilen.
Bist du vom Weg des Himmels abgewichen, rufe Maria an, den Stern des Meeres, den Polarstern, der unsere Schiffahrt durch diese Welt leitet, sie wird dich in den Hafen des ewigen Heiles führen.
Bist du in der Trübsal, nimm deine Zuflucht zu Maria, dem bitteren Meere, das in dieser Welt von Bitterkeit erfüllt war, jetzt aber in ein Meer reinster Süßigkeit im Himmel verwandelt ist, sie wird deine Traurigkeit in Freude und deine Betrübnis in Trost verwandeln.
Hast du die Gnade verloren, so ehre das Übermaß der Gnaden, womit Gott die Allerseligste Jungfrau erfüllt hat und sage ihr: „Du voll der Gnade und aller Gaben des Heiligen Geistes", und sie wird dich an ihren Gnadenschätzen Anteil nehmen lassen.
Bist du allein, des Schutzes Gottes beraubt, dann gehe zu Maria und sage: „Der Herr ist mit Dir viel erhabener und inniger, als in den Gerechten und Heiligen, denn Du bist eins mit Ihm. Da Er Dein Sohn ist, so ist Sein Fleisch Dein Fleisch, Du bist mit dem Herrn durch vollkommenste Ähnlichkeit und durch gegenseitige Liebe; Du bist ja Seine Mutter." Sage ihr endlich: „Die ganze Heiligste Dreifaltigkeit ist mit Dir, deren kostbarer Tempel Du bist", und sie wird dich hinwieder unter den Schutz und Schirm Gottes stellen.
Bist du Gegenstand des göttlichen Fluches geworden, so sprich: „Du bist gebenedeit unter den Weibern und unter allen Geschlechtern wegen Deiner Reinheit und Fruchtbarkeit; Du hast den Fluch Gottes in Segen verwandelt", und sie wird dich segnen.
Hast du Hunger nach dem Brot der Gnade und des Lebens, dann gehe zu ihr, die das lebendige Brot getragen, das vom Himmel herabgekommen ist, und sage ihr: „Gebenedeit ist die Frucht Deines Leibes, die Du ohne irgendwelchen Verlust der Jungfräulichkeit empfangen, ohne Mühe getragen und ohne Schmerzen geboren hast. Gebenedeit sei Jesus, der die gefesselte Menschheit erlöst, die kranke Welt geheilt, den toten Menschen zum Leben erweckt, den verbannten Menschen zurückgeführt, den schuldigen Menschen gerechtfertigt, den auf dem Wege der Verdammnis wandelnden Menschen gerettet hat." Ohne Zweifel wird deine Seele mit dem Brot der Gnade in diesem Leben und mit der ewigen Glorie im anderen Leben gesättigt werden. Amen.
Beschließe dein Gebet mit der Kirche und sprich: „Heilige Maria, heilig an Leib und Seele, heilig durch eine einzigartige und ewige Hingabe an den Dienst Gottes, heilig als Mutter des Gottes, der Dich mit der höchsten, dieser Würde entsprechenden Heiligkeit ausgestattet hat.
Mutter Gottes, die Du auch unsere Mutter, unsere Fürsprecherin und Mittlerin bist, die Schatzmeisterin und Ausspenderin der Gnaden Gottes, erlange uns bald die Verzeihung unserer Sünden und unsere Versöhnung mit der göttlichen Majestät.
Bitte für uns Sünder, die Du so viel Mitleid mit den Elenden hast, die Du die Sünder weder verachtest noch abweisest, ohne welche Du gar nicht Mutter des Erlösers geworden wärest.
Bitte für uns jetzt, in der Zeit dieses vergänglichen und elenden Lebens; jetzt, denn wir besitzen mit Sicherheit nur diesen gegenwärtigen Augenblick; jetzt, da wir Tag und Nacht von mächtigen und grausamen Feinden angegriffen und umgeben sind.
Und in der Stunde unseres Todes, in dieser so schrecklichen und gefährlichen Stunde, wo unsere Kräfte erschöpft, Geist und Körper durch Angst und Schmerz niedergedrückt sein werden; in der Todesstunde, wo Satan seine Kräfte verdoppelt, um uns für ewig zu verderben; in jener Stunde, welche entscheidend sein wird für unser glückliches oder unglückliches Los in alle Ewigkeit. Komme Deinen armen Kindern zu Hilfe. O barmherzige Mutter, o Fürsprecherin und Zuflucht der Sünder, vertreibe von uns in der Todesstunde die Teufel, unsere Ankläger und Feinde, deren entsetzlicher Anblick uns in Schrecken versetzt. Komm und erleuchte uns in den Finsternissen des Todes. Führe uns, begleite uns zum Richterstuhl unseres Richters, Deines Sohnes; lege Fürsprache für uns ein, dass Er uns verzeihe und unter die Zahl Deiner Auserwählten, in den Wohnsitz der ewigen Glorie aufnehme. Amen. So sei es."
Wer bewundert nicht die Vortrefflichkeit des heiligen Rosenkranzes, der aus diesen beiden ganz göttlichen Gebeten besteht: dem Gebet des Herrn und dem Gruße des Engels? Gibt es Gebete, die Gott und der Allerseligsten Jungfrau wohlgefälliger, für die Menschen aber leichter, lieblicher und heilsamer wären? Sie seien darum immer in unserem Herzen und in unserem Munde, um die Allerheiligste Dreifaltigkeit, unseren Erlöser Jesus Christus und Seine allerheiligste Mutter zu ehren!
Ferner ist es gut, am Schlüsse jedes Zehners beizufügen: Die Ehre sei dem Vater, dem Sohne und dem Heiligen Geiste, wie es war im Anfang, so jetzt und allezeit und in Ewigkeit. Amen.
Dritter Zehner:
Vortrefflichkeit des heiligen Rosenkranzes in der Betrachtung des Lebens und Leidens unseres Herrn Jesus Christus
EINUNDZWANZIGSTE ROSE:
Die fünfzehn Geheimnisse des Rosenkranzes
Ein Geheimnis ist eine heilige und schwer verständliche Sache. Die Werke Jesu Christi sind alle heilig und göttlich, weil Er Gott und Mensch zugleich ist. Jene der Allerseligsten Jungfrau sind sehr heilig, denn sie ist das vollkommenste aller bloßen Geschöpfe. Mit Recht nennt man die Werke Jesu und Mariä Geheimnisse, denn sie sind voll von Wundern, Vollkommenheiten und hohen und erhabenen Lehren, die der Heilige Geist den demütigen und einfachen Seelen, welche sie verehren, offenbart. Man kann die Werke Jesu und Mariä auch wunderbare Blumen nennen, deren Duft und Schönheit nur jenen bekannt sind, die sich ihnen nähern, ihren Duft einatmen und ihre Blüten durch aufmerksame und ernste Betrachtung erschließen.
Der heilige Dominikus hat das Leben Jesu und Mariä in fünfzehn Geheimnisse eingeteilt, die uns ihre Tugenden und ihre hauptsächlichsten Taten wie in fünfzehn Bildern darstellen, deren einzelne Züge uns für unsere Lebensführung Richtschnur und Beispiel sein sollen. Es sind fünfzehn hellstrahlende Leuchten, die unsere Schritte in dieser Welt lenken sollen; fünfzehn Brennspiegel, um Jesus und Maria und uns selbst kennenzulernen und das Feuer ihrer Liebe in unseren Herzen zu entzünden; fünfzehn Glutöfen, um uns in ihren himmlischen Flammen gänzlich zu verzehren.
Die Allerseligste Jungfrau hat den heiligen Dominikus diese vortreffliche Gebetsweise gelehrt und ihm befohlen, sie zu predigen, um die Frömmigkeit der Christen zu wecken und die Liebe Jesu Christi in ihren Herzen wieder zu beleben. Sie lehrte dieselbe auch den seligen Alanus de Rupe.
In der Tat wäre der Rosenkranz ohne die Betrachtung der heiligen Geheimnisse unseres Heiles fast wie ein Körper ohne Seele, eine vortreffliche Materie ohne ihre Form, durch die sie von den übrigen Andachtsübungen sich unterscheidet.
Der erste Teil des Rosenkranzes enthält fünf Geheimnisse:
Man nennt diese Geheimnisse die freudenreichen wegen der Freude, die sie der ganzen Welt bereitet haben.
Die Allerseligste Jungfrau und die Engel wurden in dem Augenblick von Freude erfüllt, da der Sohn Gottes Fleisch annahm.
Die heilige Elisabeth und der heilige Johannes der Täufer waren voll Freude über den Besuch Jesu und Mariä.
Himmel und Erde freuten sich bei der Geburt des Erlösers.
Simeon wurde getröstet und mit Trost erfüllt, als er Jesus in seine Arme empfing.
Die Gelehrten waren von Bewunderung entzückt, als sie die Antworten Jesu vernahmen; und wer will die Freude beschreiben, die Maria und Josef empfanden, als sie Jesus nach dreitägigem Verluste wiederfanden?
Der zweite Teil des Rosenkranzes besteht auch aus fünf Geheimnissen, die man die schmerzensreichen nennt, weil sie uns Jesus Christus von Traurigkeit niedergedrückt, mit Wunden bedeckt, mit Schmach beladen, voll Schmerzen und Qual vor Augen stellen.
Der dritte Teil des Rosenkranzes enthält fünf andere Geheimnisse, die man die glorreichen nennt, weil wir darin Jesus und Maria im Triumph und in der Glorie betrachten.
Das sind also die fünfzehn duftenden Blüten des mystischen Rosenstrauches, auf die sich die frommen Seelen gleich klugen Bienlein niederlassen, um daraus den wunderbaren Saft zu saugen und den Honig echter Andacht zu bereiten.
ZWEIUNDZWANZIGSTE ROSE:
Die Betrachtung der heiligen Geheimnisse macht uns Jesu gleichförmig
Die Hauptsorge der christlichen Seele ist, nach der Vollkommenheit zu streben. Seid getreue Nachahmer Gottes, als Seine vielgeliebten Kinder (Eph 5,1), sagt der große Apostel. Diese Verpflichtung ist im ewigen Ratschluss unserer Vorherbestimmung enthalten als das einzige Mittel, um zur ewigen Seligkeit zu gelangen.
Der heilige Gregor von Nyssa sagt so zart, wir seien wie Maler. Unsere Seele ist die leere Leinwand, auf welcher wir den Pinsel führen müssen; die Tugenden sind die Farben, die ihren Glanz erhöhen sollen, und das Original, das wir kopieren müssen, ist Jesus Christus, das lebendige und vollkommene Abbild des Ewigen Vaters. Wie also ein Maler, um ein natürliches Gemälde zu erhalten, sein Modell vor sich hat und bei jedem Pinselstrich beobachtet, so muss auch der Christ das Leben und die Tugenden Jesu Christi vor Augen haben, um ja nichts zu sagen, zu denken oder zu tun, was Ihm nicht gleichförmig wäre.
Um uns bei dem wichtigen Werk der Auserwählung zu helfen, hat die Allerseligste Jungfrau dem heiligen Dominikus befohlen, den Gläubigen, die den Rosenkranz beten, die heiligen Geheimnisse des Lebens Jesu Christi vor Augen zu stellen, nicht nur, damit sie Ihn anbeten und verherrlichen, sondern hauptsächlich, damit sie ihr Leben und ihre Handlungen nach Seinen Tugenden einrichten.
Wie aber die Kinder ihre Eltern nachahmen, indem sie dieselben sehen und mit ihnen verkehren; wie sie deren Sprache lernen, indem sie dieselben reden hören; wie ein Lehrling seine Kunst erlernt, indem er den Meister arbeiten sieht: so werden die treuen Mitglieder der Rosenkranzbruderschaft mit Hilfe der göttlichen Gnade und durch die Fürbitte Mariä dem göttlichen Lehrmeister ähnlich, indem sie die Tugenden Jesu Christi in den fünfzehn Geheimnissen Seines Lebens aufmerksam und fromm betrachten.
Wenn Moses im Namen Gottes selber dem hebräischen Volke befahl, die göttlichen Wohltaten, womit es überhäuft worden war, nie zu vergessen, so kann mit viel größerem Recht der Sohn Gottes uns befehlen, die Geheimnisse Seines Lebens, Seines Leidens und Seiner Herrlichkeit in unser Herz einzuprägen und sie unaufhörlich vor Augen zu haben, weil dies ebensoviele Wohltaten sind, mit denen Er uns begünstigt und durch die Er uns das Übermaß Seiner Liebe für unser Seelenheil gezeigt hat. „O ihr alle, die ihr des Weges vorüberziehet", sagt Er, "schauet und sehet, ob ein Schmerz gleich sei Meinem Schmerze (Klagel. 1,12), den Ich aus Liebe zu euch erdulde. Erinnert euch Meiner Armut und Meiner Erniedrigungen, denkt an den Essig und an die Galle, die Ich in Meinem Leiden für euch verkostet."
Diese und ähnliche Worte, die man anführen könnte, überzeugen uns zur Genüge von der Pflicht, uns nicht damit zufriedenzugeben, den Rosenkranz zu Ehren Jesu Christi und Seiner heiligsten Mutter nur mündlich zu beten, sondern unter Betrachtung der heiligen Geheimnisse.
DREIUNDZWANZIGSTE ROSE:
Der Rosenkranz als Gedächtnis des Lebens und Sterbens Jesu Christi
Jesus Christus, der göttliche Bräutigam unserer Seele, unser süßester Freund Jesus wünscht, dass wir uns Seiner Wohltaten erinnern und sie über alles schätzen; Er empfindet eine außerwesentliche (akzidentelle) Freude, gleichwie auch Maria und alle Heiligen des Himmels, wenn wir andächtig und mit Liebe über die heiligen Geheimnisse des Rosenkranzes betrachten, welche die ausgeprägtesten Wirkungen Seiner Liebe zu uns sind und die reichsten Geschenke, die Er uns machen kann, weil durch solche Geschenke die Himmelskönigin selbst und alle Heiligen sich der Glorie erfreuen.
Die selige Angela von Foligno bat einmal den göttlichen Heiland, sie zu lehren, durch welche Übung sie Ihn am meisten ehre. Er erschien ihr ans Kreuz geheftet und sagte: „Meine Tochter, betrachte Meine Wunden!" Sie vernahm von ihrem liebenswürdigsten Erlöser, dass Ihm nichts angenehmer sei, als die Betrachtung Seiner Leiden. Darauf enthüllte Er ihr die Wunden Seines Hauptes und mehrere Umstände Seiner Martern und sprach zu ihr: „Alles das habe Ich für dein Heil gelitten, was könntest du tun, das Meiner Liebe zu dir gleich käme?"
Das heilige Meßopfer ehrt unendlich die Allerheiligste Dreifaltigkeit, weil es das Leiden Jesu Christi darstellt und wir darin die Verdienste Seines Gehorsams, Seiner Leiden und Seines Blutes aufopfern. Auch der ganze himmlische Hof erhält einen Zuwachs an außerwesentlicher Glorie und zwar aus demselben Grunde, sagen uns mehrere Gelehrte mit dem hl. Thomas, wie er sich über die Kommunion der Gläubigen freut, nämlich weil das heiligste Sakrament das Gedächtnis des Leidens und Sterbens Jesu Christi ist und weil die Menschen durch dieses Gnadenmittel an den Früchten des Kreuzesopfers teilnehmen und in ihrem Heilswerke voranschreiten.
Nun aber ist der Rosenkranz, wenn er unter Betrachtung der heiligen Geheimnisse gebetet wird, ein Gott dargebrachtes Lobopfer für die Wohltat unserer Erlösung und ein frommes Andenken an die Leiden, den Tod und die Glorie Jesu Christi. Es ist also wahr, dass der Rosenkranz ein Zuwachs von außerwesentlicher Glorie und Freude ist für Jesus Christus, für Maria und für alle Heiligen, denn sie wünschen nichts sehnlicher zu unserem ewigen Glück, als uns mit einer Übung beschäftigt zu sehen, die für unseren Erlöser so glorreich und für uns so heilsam ist.
Das Evangelium versichert uns, dass ein Sünder, der sich bekehrt und Buße tut, allen Engeln Freude bereitet (vgl. Lk 15,7). Wenn es eine Freude für die Engel ist, dass ein Sünder seine Sünden verlasse und Buße tue, welche Freude, welcher Jubel wird es für den ganzen himmlischen Hof sein, welche Ehre für Jesus Christus selbst, zu sehen, wie wir auf Erden andächtig und mit Liebe Seine Erniedrigungen, Seine Qualen, Seinen grausamen und schmählichen Tod betrachten? Gibt es etwas Wirksameres, uns zu rühren und zu aufrichtiger Buße zu führen?
Der Christ, der die Geheimnisse des Rosenkranzes nicht betrachtet, zeigt eine große Undankbarkeit gegen Jesus Christus und Geringschätzung gegen alles, was der göttliche Erlöser für das Heil der Welt gelitten hat. Sein Betragen scheint zu sagen, dass ihm das Leben Jesu Christi fremd ist, dass er sich wenig darum bemühe, kennenzulernen, was Er getan und gelitten hat, um uns zu erlösen. Da ein solcher Christ Jesus Christus nicht gekannt oder vergessen hat, muss er sehr befürchten, dass ihn der göttliche Heiland am Tage des Gerichtes mit dem Vorwurfe von sich stoße: „Wahrlich, wahrlich sage Ich dir, Ich kenne dich nicht" (Mt 25,12).
Betrachten wir also im heiligen Rosenkranz das Leben und die Leiden des Erlösers, lernen wir Ihn gut kennen und Seine Wohltaten anerkennen, damit Er uns am Tage des Gerichtes als Seine Kinder und Freunde anerkenne.
VIERUNDZWANZIGSTE ROSE:
Die Betrachtung der Geheimnisse des Rosenkranzes ist ein großes Mittel, zur Vollkommenheit zu gelangen
Die Heiligen nahmen das Leben Jesu Christi zum hauptsächlichsten Gegenstand ihres Studiums. Sie betrachteten Seine Tugenden und Leiden und gelangten dadurch zur christlichen Vollkommenheit.
Der heilige Bernhard hat mit dieser Übung begonnen und sie immer fortgesetzt. „Vom Beginne meiner Bekehrung an“, sagte er, „wand ich mir ein Myrrhensträußchen aus den Schmerzen meines Erlösers. Ich legte dieses Sträußchen auf mein Herz, indem ich an die Geißeln, an die Domen und an die Nägel Seines Leidens dachte. Ich richtete die ganze Aufmerksamkeit meines Geistes darauf, täglich über diese Geheimnisse zu betrachten."
Das war die Übung der heiligen Märtyrer. Wir staunen, wie sie über die grausamsten Qualen triumphiert haben. Woher konnte diese wunderbare Standhaftigkeit der Märtyrer kommen, fragt der heilige Bernhard, wenn nicht von den Wunden Jesu Christi, über welche sie ihre häufigste Betrachtung anstellten? Wo war die Seele jener heldenmütigen Streiter, während ihr Blut floß und ihr Körper von den Schmerzen zermalmt war? Ihre Seele verweilte in den Wunden Jesu Christi, und diese Wunden machten sie unüberwindlich.
Die heiligste Mutter des Erlösers hat sich in ihrem ganzen Leben mit nichts anderem beschäftigt, als mit der Betrachtung der Tugenden und Leiden ihres Sohnes. Als sie bei Seiner Geburt die Engel ihren Jubelgesang singen hörte, als sie die Hirten Ihn in der Krippe anbeten sah, wurde ihr Geist von Bewunderung erfüllt, und sie betrachtete all diese wunderbaren Begebenheiten. Sie verglich die Herrlichkeiten des menschgewordenen Wortes mit Seiner tiefen Erniedrigung; das Stroh und die Krippe mit dem Thron und dem Schoße Seines Vaters; die Macht eines Gottes mit der Schwachheit eines Kindes; Seine Weisheit mit Seiner Einfalt.
Die Allerseligste Jungfrau sagte eines Tages zur heiligen Brigitta: „Wenn ich die Schönheit, Bescheidenheit und Weisheit meines Sohnes betrachtete, war meine Seele wonnetrunken, und wenn ich Seine Hände und Füße anschaute, die einst von Nägeln durchbohrt werden sollten, vergoß ich einen Strom von Tränen, mein Herz brach vor Traurigkeit und Schmerz."
Nach der Himmelfahrt Jesu brachte Maria, die Gottesmutter, den Rest ihres Lebens damit zu, die Orte zu besuchen, welche der göttliche Erlöser durch Seine Gegenwart und durch Seine Leiden geheiligt hatte. Dort betrachtete sie das Übermaß Seiner Liebe und die Größe Seines Leidens.
Das war auch die fortwährende Übung der heiligen Maria Magdalena während der dreißig Jahre, die sie in der heiligen Grotte von Sainte Baume bei Marseille lebte.
Endlich sagt der heilige Hieronymus, das sei die Andacht der ersten Gläubigen gewesen. Von allen Ländern der Erde zogen sie in das Heilige Land, um durch den Anblick der Orte und Gegenstände, die der göttliche Heiland durch Seine Geburt, Seine Arbeiten, Seine Leiden und Seinen Tod geheiligt hatte, die Liebe und das Andenken an den Erlöser der Menschen tiefer in ihre Herzen einzuprägen.
Alle Christen haben nur einen Glauben, beten nur einen Gott an, erhoffen alle dieselbe Seligkeit im Himmel; sie kennen nur einen Mittler, nämlich Jesus Christus; alle müssen dieses göttliche Vorbild nachahmen und zu diesem Zwecke die Geheimnisse Seines Lebens, Seiner Tugenden und Seiner Herrlichkeit betrachten.
Es ist ein Irrtum, sich einzubilden, die Betrachtung der Glaubenswahrheiten und der Geheimnisse des Lebens Jesu Christi sei nur Sache der Priester, der Ordensleute und jener, die sich vom Getriebe der Welt zurückgezogen haben. Wenn die Ordensleute und Geistlichen verpflichtet sind, die großen Geheimnisse unserer hl. Religion zu betrachten, um ihrem Berufe würdig zu entsprechen, sind die Weltleute mindestens ebensosehr dazu verpflichtet wegen der Gefahren, in denen sie sich täglich befinden, verlorenzugehen. Sie müssen sich also mit der häufigen Erinnerung an das Leben, die Tugenden und Leiden des Erlösers wappnen, die uns in den 15 Geheimnissen des Rosenkranzes vor Augen treten.
FÜNFUNDZWANZIGSTE ROSE:
Reichtümer der Heiligung, die im Gebete und in der Betrachtung des Rosenkranzes eingeschlossen sind
Niemals wird jemand die wunderbaren Reichtümer der Heiligung begreifen, die in den Gebeten und Geheimnissen des heiligen Rosenkranzes enthalten sind. Diese Betrachtung der Geheimnisse des Lebens und des Todes unseres Herrn Jesu Christi ist für alle, die sich dieselben zunutze machen, die Quelle der wunderbarsten Wirkungen.
Heute will man Dinge, die auffallen, die Gemüter bewegen, die in der Seele tiefe Eindrücke hervorrufen. Was gibt es auf Erden Rührenderes als die wunderbare Geschichte unseres Erlösers, die sich in fünfzehn Bildern vor unseren Augen entrollt und uns die großartigen Szenen des Lebens, des Todes und der Glorie des Welterlösers vorführt?
Welche Gebete sind vorzüglicher und erhabener als das Gebet des Herrn und der Gruß des Engels? Darin sind alle unsere Wünsche, unsere Bedürfnisse eingeschlossen.
Die Betrachtung der Geheimnisse und der Gebete des Rosenkranzes ist die leichteste von allen, weil die Mannigfaltigkeit der Tugenden und Zustände Jesu Christi, die man betrachtet, den Geist wunderbar erfrischt und stärkt und die Zerstreuungen verhindert.
Die Gelehrten finden in diesen Formeln die tiefgründigste Lehre und die Kleinen die einfachsten Unterweisungen. Man muss durch diese leichte Betrachtungsweise hindurchgehen, bevor man sich bis zum höchsten Grad der Beschauung erhebt. Das ist der Gedanke des heiligen Thomas von Aquin und der Rat, den er uns gibt, wenn er sagt, wir müssen zuerst wie auf einem Kampffeld uns durch die Erwerbung aller Tugenden üben, deren vollkommenes Vorbild wir in den Geheimnissen des Rosenkranzes besitzen; denn dort, sagt der gelehrte Cajetan, erwerben wir uns die innige Vereinigung mit Gott, ohne welche die Beschauung nur eine Täuschung ist, durch welche die Seelen leicht irregeführt werden.
Wenn die falschen Mystiker unserer Tage oder Quietisten diesen Rat befolgt hätten, so wären sie nicht so schrecklich tief gefallen, noch hätten sie solches Ärgernis in der Frömmigkeit verursacht. Es ist eine besondere Täuschung des Teufels, zu glauben, man könne erhabenere Gebete verrichten als das Vaterunser und Ave Maria.
Widmet man sich diesen göttlichen Gebeten, so ist es, ich gestehe es, nicht immer notwendig, sie mündlich zu verrichten, das innerliche Gebet ist in gewissem Sinne vollkommener denn das mündliche, aber ich behaupte auch, dass es sehr gefährlich ist, um nicht zu sagen verderblich, auf eigenen Antrieb das mündliche Gebet des Rosenkranzes unter dem Vorwand vollkommener Vereinigung mit Gott zu unterlassen.
Die von feinem Stolze und vom Teufel getäuschte Seele, die innerlich alles tut, was sie kann, um sich zu dem erhabenen Grad der Beschauung der Heiligen zu erheben, verachtet und verlässt dafür ihre alten Gebetsweisen, die nur für gewöhnliche Seelen gut seien. Sie verschließt ihr Ohr eigenmächtig den Gebeten und dem Gruße eines Engels, ja selbst dem Gebete, das ein Gott verfaßt, geübt und empfohlen hat: Sic ergo vos orabitis: Pater noster... so sollt ihr beten: Vater unser... (Mt 6,9) und dadurch fällt sie von einer Täuschung in die andere und von Abgrund zu Abgrund.
Glaube mir, mein lieber Mitbruder, wenn du zu einer hohen Stufe des betrachtenden Gebetes gelangen willst, ohne dich selbst zu täuschen oder in die Täuschungen des Teufels zu fallen, die für die mystischen Seelen so häufig sind, so bete jeden Tag, wenn du kannst, den ganzen Psalter [15 Gesätze], oder wenigstens den Rosenkranz [5 Gesätze]. Wer immer, ob Gerechter oder Sünder, mit frommer Ehrfurcht zu Maria seine Zuflucht nimmt, wird vom höllischen Feind weder betrogen noch verschlungen werden (spätere Beifügung des hl. Grignion).
Bist du aber bereits durch die Gnade Gottes dahin gelangt, so bleibe der Übung des heiligen Rosenkranzes treu, wenn du dich auf dieser Stufe erhalten und durch die Demut darin höher steigen willst; denn niemals wird eine Seele, die ihren Rosenkranz täglich betet, in eine formelle Irrlehre fallen, noch vom Teufel getäuscht werden; das ist eine Behauptung, die ich mit meinem Blute unterschreiben würde.
Wenn aber Gott in Seiner großen Barmherzigkeit mitten im Rosenkranz dich ebenso mächtig an sich zieht wie viele Heilige, so lasse dich von Ihm ziehen, lasse Gott in dir wirken und beten und auf Seine Weise den Rosenkranz verrichten und lasse es für diesen Tag bei diesem Rosenkranz bewenden.
Wenn du aber nur in der tätigen Beschauung oder im gewöhnlichen Gebete der Ruhe, der Gegenwart Gottes und der Liebe bist, so hast du noch weniger Grund, den Rosenkranz aufzugeben, und weit entfernt, durch dieses Gebet in der Betrachtung und in der Tugend zurückzuschreiten, wird es dir im Gegenteil eine wunderbare Hilfe und die wahre Jakobsleiter mit fünfzehn Sprossen sein, auf denen du von Tugend zu Tugend, von Licht zu Licht emporsteigen und ohne Täuschung leicht zum Vollalter Jesu Christi gelangen wirst.
SECHSUNDZWANZIGSTE ROSE:
Der Rosenkranz, ein erhabenes Gebet
Hüte dich wohl, den Eigensinn jener frommen Seele von Rom nachzuahmen, deren Geschichte so oft erzählt wird. Es war eine so fromme und eifrige Person, dass sie durch ihr heiliges Leben die strengsten Ordensleute der Kirche Gottes beschämte. Als sie den heiligen Dominikus um Rat fragen wollte und bei ihm gebeichtet hatte, legte er ihr als Buße einen einzigen Psalter auf und gab ihr den Rat, ihn täglich zu beten. Sie entschuldigte sich und sagte, sie habe ihre wohlgeordneten Übungen, gewinne täglich die Stationsablässe von Rom, trage das härene Bußkleid, das Cilizium, geißle sich mehrmals in der Woche, faste soviel und verrichte noch andere Bußwerke. Der heilige Dominikus drängte und drängte sie, seinen Rat zu befolgen, sie aber wollte nichts davon wissen. So verließ sie den Beichtstuhl und nahm beinahe Ärgernis am Vorgehen des neuen Seelenführers, der ihr eine Andacht beibringen wollte, an der sie keinen Geschmack finden konnte. Plötzlich ward sie im Gebete entrückt und sah ihre Seele vor dem höchsten Richter erscheinen.
Der heilige Erzengel Michael legte in die eine Waagschale alle ihre Bußwerke und anderen Gebete und in die andere Schale alle ihre Sünden und Unvollkommenheiten. Er hob die Schale in die Höhe: die Waagschale mit den guten Werken schnellte empor und konnte die Schale mit den Sünden und Unvollkommenheiten nicht aufwiegen. Ganz erschreckt rief sie um Erbarmen und wandte sich an die Himmelskönigin, ihre Fürsprecherin, welche in die Schale mit den guten Werken den einzigen Psalter fallen ließ, den sie als Buße gebetet hatte, und dieser war so schwer, dass er sowohl all ihren Sünden, wie auch allen ihren guten Werken das Gleichgewicht hielt. Gleichzeitig wurde sie von Maria getadelt, dass sie sich geweigert habe, dem Rate ihres Dieners Dominikus zu folgen und den Psalter täglich zu beten. Wieder zu sich gekommen, ging sie und warf sich dem Heiligen zu Füßen, erzählte ihm, was ihr begegnet, bat ihn um Verzeihung wegen ihrer Ungläubigkeit, versprach, den Psalter jeden Tag zu beten und gelangte dadurch zur christlichen Vollkommenheit und zur ewigen Glorie.
Lernet daraus, mystische Seelen, die Kraft, den Preis und die Wichtigkeit dieser Andacht des Rosenkranzes mit Betrachtung der heiligen Geheimnisse erkennen.
Wer ist im Gebete höher emporgestiegen als die heilige Maria Magdalena, welche siebenmal des Tages von den Engeln in den Himmel entrückt wurde und die in der Schule Jesu Christi und Seiner heiligsten Mutter selbst gewesen war? Und doch, als sie eines Tages Gott um ein besonderes Mittel bat, um in Seiner Liebe zu wachsen und zur höchsten Vollkommenheit zu gelangen, kam der hl. Erzengel Michael von Gott gesandt zu ihr, um ihr zu sagen, er wisse kein anderes Mittel, als vor einem Kreuze, das er ihr vor die Höhle pflanzte, die schmerzhaften Geheimnisse zu betrachten, deren Verwirklichung sie einst mit eigenen Augen geschaut hatte.
Möge dich das Beispiel des heiligen Franz von Sales, dieses großen Seelenführers seines Jahrhunderts, der bei all seiner großen Heiligkeit sich durch ein Gelübde verpflichtete, den Rosenkranz alle Tage seines Lebens zu beten, zum Beitritt in die Rosenkranzbruderschaft bewegen!
Der heilige Karl Borromäus betete ihn auch täglich und empfahl seinen Priestern und Klerikern in den Seminarien, sowie dem ganzen Volke die Andacht sehr.
Der heilige Pius V., einer der größten Päpste, die die Kirche regiert haben, betete den Rosenkranz jeden Tag.
Der heilige Thomas von Villanova, Erzbischof von Valencia, der heilige Ignatius von Loyola, der heilige Franz Xaver, der heilige Franz von Borgia, die heilige Theresia, der heilige Philipp Neri und mehrere andere große Männer, die ich übergehe, haben sich durch diese Andacht ausgezeichnet. Folget ihrem Beispiel, eure Seelenführer werden sich darüber freuen, und wenn sie sehen, welche Früchte ihr daraus ziehet, so werden sie die ersten sein, die euch dazu ermuntern.
SIEBENUNDZWANZIGSTE ROSE:
Wohltaten und Wirkungen des Rosenkranzes
Um euch noch mehr zu dieser Andacht der großen Seelen zu ermuntern, füge ich noch bei, dass der unter Betrachtung der heiligen Geheimnisse gebetete Rosenkranz:
Die Kenntnis Jesu Christi ist die Wissenschaft der Christen und die Wissenschaft des Heils. Sie übersteigt, sagt der heilige Paulus (vgl. Phil 3,8), alle menschlichen Wissenschaften an Wert und Vortrefflichkeit:
Glückseliger Rosenkranz, der uns diese Wissenschaft und Erkenntnis Jesu Christi vermittelt, indem er uns anleitet, das Leben, das Leiden, den Tod und die Glorie Jesu Christi zu betrachten!
Als die Königin von Saba die Weisheit Salomons bewunderte, rief sie aus: „Glückselig sind deine Leute und glückselig deine Diener, die immerdar vor dir stehen und deine Weisheit hören" (3 Kön 10,8). Doch glücklicher jene Gläubigen, die aufmerksam das Leben, die Tugenden, die Leiden und die Glorie des Erlösers betrachten, denn sie erwerben sich dadurch die vollkommene Erkenntnis, worin das ewige Leben besteht. Haec est vita aeterna (vgl. Joh 17,3).
Die Allerseligste Jungfrau offenbarte dem seligen Alanus, dass die verhärteten Sünder gerührt wurden und ihre Missetaten bitter beweinten, sobald der heilige Dominikus den Rosenkranz predigte. Kleine Kinder sogar taten unglaubliche Bußwerke; der Eifer war so groß, dass überall, wo er predigte, die Sünder ihr Leben änderten und alles mit ihren Bußwerken und der Besserung ihres Lebens erbauten. Wenn du dein Gewissen von Sünden belastet fühlst, so nimm deinen Rosenkranz und bete einen Teil davon zu Ehren einiger Geheimnisse des Lebens, Leidens oder der Glorie Jesu Christi und sei überzeugt, dass Jesus Christus dem Vater im Himmel, während du diese Geheimnisse ehrst und betrachtest, Seine heiligen Wunden zeigt. Er wird Fürbitte für dich einlegen und dir Reue und die Verzeihung deiner Sünden erlangen.
Eines Tages sagte der göttliche Heiland zum seligen Alanus: „Wenn jene unglücklichen Sünder den Rosenkranz oft beteten, so würden sie an den Verdiensten Meines Leidens teilnehmen und Ich würde als ihr Fürsprecher die göttliche Gerechtigkeit besänftigen."
Dieses Leben ist ein fortwährender Kampf und eine beständige Versuchung; denn wir haben nicht den Kampf wider Fleisch und Blut zu führen, sondern wider die Mächte und Gewalten, wider die Weltbeherrscher dieser Finsternis, wider die Geister der Bosheit (Eph 6,12). Welche bessere Waffe werden wir ergreifen, um sie zu bekämpfen, als das Gebet, das unser großer Feldherr uns gelehrt, als den Engelsgruß, der die Teufel vertrieben, die Sünde zerstört und die Welt wieder erneuert hat, als die Betrachtung des Lebens und Leidens Jesu Christi? Mit diesem Gedanken müssen wir uns wappnen, wie der heilige Petrus befiehlt, um uns gegen dieselben Feinde zu verteidigen, die er besiegt hat, und die auch uns täglich angreifen (vgl. 1 Petr 4,1).
„Seit der Teufel", sagt Kardinal Hugo, „durch die Demut und das Leiden Jesu Christi besiegt worden ist, kann er gleichsam einer Seele nichts mehr anhaben, die mit der Betrachtung Seiner Geheimnisse ausgerüstet ist, oder wenn er sie angreift, so wird er schmählich besiegt."
Induite vos armaturam Dei: Ziehet also diese Waffenrüstung Gottes an (Eph 6,11), den heiligen Rosenkranz, und ihr werdet das Haupt des Teufels zertreten und in allen seinen Versuchungen standhaft bleiben.
Daher kommt es, dass selbst der materielle Rosenkranz dem Teufel so schrecklich ist und dass die Heiligen sich desselben bedient haben, um den bösen Feind in die Flucht zu schlagen und aus dem Körper der Besessenen zu vertreiben, wovon mehrere Geschichten Zeugnis ablegen.
Ein Mensch, sagt der selige Alanus, der vergeblich alle Arten von Andachtsübungen versucht hatte, um von einem bösen Geist, von dem er besessen war, befreit zu werden, geriet auf den Einfall, sich einen Rosenkranz um den Hals zu legen, was ihm Erleichterung brachte. Da er nun gemerkt hatte, dass der Teufel ihn sofort heftig quälte, sobald er den Rosenkranz vom Hals wegnahm, beschloß er, den Rosenkranz Tag und Nacht zu tragen, wodurch der Teufel, der eine solch schreckliche Kette nicht ertragen konnte, für immer vertrieben wurde. Der selige Alanus bezeugte, er habe eine große Zahl Besessener dadurch befreit, dass er ihnen so den Rosenkranz um den Hals legte.
Als Pater Johann Amat aus dem Orden des heiligen Dominikus in einem Orte des Königreiches Aragonien die Fastenpredigten hielt, führte man ein vom Teufel besessenes Mädchen zu ihm. Nachdem er den Exorzismus mehrmals vergeblich angewandt hatte, legte er ihr seinen Rosenkranz um den Hals, und sogleich fing sie an, ein schreckliches Geschrei und Geheul auszustoßen, indem sie sagte: „Fort, fort mit diesen Körnern, die mich quälen!" endlich nahm ihr der Vater aus Mitleid mit seiner armen Tochter den Rosenkranz vom Hals.
In der folgenden Nacht, als sich der Pater zur Ruhe begeben hatte, kamen dieselben Dämonen, von denen das Mädchen besessen war, wutschäumend zu ihm, um sich seiner zu bemächtigen; doch mit seinem Rosenkranz, den er fest in der Hand hielt, schlug er sie trotz ihrer Anstrengungen, ihm denselben zu entreißen, wunderbar in die Flucht, indem er sprach: „Heilige Maria, Unsere Liebe Frau vom heiligen Rosenkranz, hilf mir!"
Als er am folgenden Morgen zur Kirche ging, begegnete er jenem armen Mädchen, das noch besessen war. Einer der Teufel, die in ihr waren, fing an, sich über ihn lustig zu machen, indem er sagte: „Nicht wahr, Bruder, wenn du deinen Rosenkranz nicht gehabt hättest, hätten wir dich schön hergerichtet!" Dann warf der Pater unversehens seinen Rosenkranz um den Hals des Mädchens, indem er sprach: „Durch die heiligsten Namen Jesu und Mariä, Seiner heiligen Mutter, und durch die Kraft des heiligsten Rosenkranzes befehle ich euch, unreine Geister, sofort aus diesem Körper zu fahren!" Augenblicklich waren sie gezwungen, zu gehorchen, und das Mädchen war befreit.
Diese Erzählungen zeigen uns, wie groß die Macht des heiligen Rosenkranzes ist, um alle Arten von Versuchungen und Sünden zu besiegen, weil die geweihten Körner des Rosenkranzes sie verscheuchen.
ACHTUNDZWANZIGSTE ROSE:
Heilsame Früchte, die durch die Betrachtung des Leidens Christi hervorgerufen werden
Der heilige Augustin versichert, es gebe keine für das Seelenheil wirksamere und nützlichere Übung, als oft an die Leiden unseres Heilandes zu denken.
Dem seligen Albert dem Großen, dem Lehrer des heiligen Thomas, ward geoffenbart, dass die bloße Erinnerung oder Betrachtung des Leidens Jesu Christi für den Christen verdienstlicher sei, als ein Jahr lang jeden Freitag bei Wasser und Brot zu fasten oder alle Wochen sich bis aufs Blut zu geißeln oder jeden Tag das Psalterium (die 150 Psalmen) zu beten. Wie groß ist infolgedessen das Verdienst des Rosenkranzes, der das Gedächtnis des ganzen Lebens und Leidens unseres Herrn in sich schließt!
Die Gottesmutter offenbarte eines Tages dem seligen Alanus, dass es nach dem heiligen Meßopfer, welches die erste und lebendigste Gedächtnisfeier des Leidens Jesu Christi ist, keine ausgezeichnetere und verdienstlichere Andacht als den Rosenkranz gebe, der gleichsam eine zweite Gedächtnisfeier und eine zweite Darstellung des Lebens und Leidens Jesu Christi ist.
Pater Dorland berichtet, die Mutter Gottes habe eines Tages dem ehrwürdigen Kartäuser Pater Dominikus, einem Verehrer des Rosenkranzes in Trier, im Jahre 1481 gesagt: „Jedesmal, wenn ein Gläubiger im Gnadenstande den Rosenkranz mit Betrachtung der Geheimnisse des Lebens und Leidens Jesu Christi betet, erhält er die volle und ganze Nachlassung aller seiner Sünden."
Sie sagte auch zum seligen Alanus: „Wisse, obschon meinem Rosenkranze so viele Ablässe verliehen sind, so werde ich doch für jeden Rosenkranz noch viel mehr hinzufügen für jene, die ihn ohne schwere Sünde andächtig auf den Knien beten, und wer immer in der Andacht zum heiligen Rosenkranz verharrt, dem werde ich in seiner Todesstunde zur Belohnung für diesen treuen Dienst volle Vergebung aller seiner Sündenstrafen und aller seiner Sündenschuld erlangen. Und das soll dir nicht unglaubwürdig erscheinen; es ist mir leicht, denn ich bin die Mutter des Königs der Himmel und heiße voll der Gnade, und da ich voll der Gnade bin, werde ich sie über meine geliebten Kinder reichlich ausgießen."
Der heilige Dominikus war so sehr von der Wirksamkeit und dem Verdienst des heiligen Rosenkranzes überzeugt, dass er seinen Beichtkindern fast keine andere Buße auferlegte, wie wir in der obigen Erzählung von jener frommen Frau zu Rom gehört haben, welcher er einen einzigen Psalter zur Buße gab.
Um sicher in den Fußstapfen dieses großen Heiligen zu wandeln, sollten die Beichtväter ihren Beichtkindern viel mehr den Rosenkranz mit Betrachtung der heiligen Geheimnisse auferlegen als andere Bußwerke, die nicht so verdienstlich sind, nicht so gottgefällig, den Seelen zum Fortschritt in der Tugend weniger behilflich, und weniger wirksam, sie vor dem Rückfall in die Sünde zu bewahren. Überdies gewinnt man durch den Rosenkranz eine Menge von Ablässen, die nicht mit vielen anderen Andachtsübungen verbunden sind.
„Gewiß", sagt der ehrwürdige Blosius, „ist der Rosenkranz mit den Betrachtungen des Lebens und Leidens Jesu Christi dem göttlichen Heiland und Seiner heiligsten Mutter sehr wohlgefällig, und sehr wirksam, alle Gnaden zu erlangen. Wir können ihn sowohl für uns als auch für jene, die uns empfohlen wurden, und für die ganze Kirche beten. Nehmen wir doch Zuflucht zur Andacht des heiligen Rosenkranzes in allen unseren Bedürfnissen, und wir werden unfehlbar erlangen, was wir von Gott für unser Seelenheil erbitten."
NEUNUNDZWANZIGSTE ROSE:
Der Rosenkranz als Seelenretter
Nach dem Gedanken des heiligen Dionysius gibt es nichts Göttlicheres, nichts Erhabeneres noch Gottgefälligeres, als am Heil der Seelen mitzuwirken und die Machenschaften des Teufels, der an ihrem Verderben arbeitet, zu vereiteln; zu diesem Zwecke ist der Sohn Gottes auf die Erde herabgestiegen. Durch die Gründung der Kirche hatte Er das Reich Satans zerstört, aber dieser Tyrann hatte durch die Irrlehre der Albigenser, durch Haß, Uneinigkeit und durch die abscheulichen Laster, in die er die Welt des elften Jahrhunderts stürzte, seine Kraft wieder gefunden und über die Seelen eine grausame Herrschaft ausgeübt.
Wo war nun das Heilmittel für diese Unordnung? Wie konnte man die Kraft Satans brechen? Die Allerseligste Jungfrau, die Beschützerin der Kirche, hat kein wirksameres Mittel gegeben, um den Zorn ihres Sohnes zu besänftigen, die Irrlehre auszurotten und die Sitten der Christen zu verbessern, als die Rosenkranzbruderschaft. Wie der Erfolg bewies, hat der Rosenkranz die Liebe zu Gott und den häufigen Empfang der Sakramente wie in den ersten goldenen Zeiten der Kirche erneuert und die Sitten der Christen verbessert, welche diese Andacht pflegten. Er sah auch unzählige Kronen aus sehr schönen und duftenden Blumen, die für die andächtigen Beter des Rosenkranzes bereit waren und erkannte, dass sie sich, so oft sie den Rosenkranz beten, eine Krone flechten, womit sie im Himmel eines Tages geschmückt werden.
Die Vision dieses frommen Kartäusers ist jener des Liebesjüngers ähnlich, wo er eine unzählbare Menge von Engeln und Heiligen sah, welche Jesus Christus lobten und für alles priesen, was Er auf dieser Welt für unser Heil getan und gelitten hat (vgl. Offb 4-5). Und was tun die frommen Mitglieder der Rosenkranzbruderschaft anderes?
Man darf sich aber nicht einbilden, der Rosenkranz sei nur für die Weiber, die Kleinen und die Unwissenden; er ist auch für die Männer, selbst für die größten Männer.
Sobald der heilige Dominikus dem Papste Innozenz III. den vom Himmel erhaltenen Befehl, diese heilige Bruderschaft zu errichten, mitgeteilt hatte, approbierte sie der Heilige Vater, ermahnte den heiligen Dominikus, sie zu verkünden, und wollte selbst aufgenommen werden. Selbst die Kardinäle schlossen sich mit großem Eifer an, sodass Lopez behauptet: Nullum sexum, nullam aetatem, nullam conditionem ab oratione rosarii subtraxit se: kein Geschlecht, kein Alter, kein Stand entzog sich der Andacht des Rosenkranzes.
So finden wir in dieser Bruderschaft Personen aller Stände: Herzoge, Fürsten, Könige ebensogut wie Prälaten, Kardinäle, Päpste, deren Aufzählung für diesen Abriß zu lang wäre; und, lieber Leser, durch deinen Beitritt zu dieser Bruderschaft hast du an ihrer Andacht Anteil, an ihren Gnaden auf Erden und an ihrer Glorie im Himmel: Cum quibus consortium vobis erit devotionis, erit et communio dignitatis.
DREISSIGSTE ROSE:
Geistige Vorteile der Rosenkranzbruderschaft
Wenn die geistigen Vorteile, die Gnaden und Ablässe eine Bruderschaft empfehlenswert machen, so kann man sagen, dass die des heiligen Rosenkranzes die empfehlenswerteste aller kirchlichen Bruderschaften ist, denn sie ist am meisten mit Ablässen bereichert. Seit ihrer Entstehung gab es beinahe keinen Papst, der nicht zu ihren Gunsten die Schätze der Kirche geöffnet hätte, um sie zu bereichern. Und weil das Beispiel mehr noch als Worte und Wohltaten hinreißt, haben die Päpste auf keine bessere Weise ihre Hochschätzung für diese heilige Bruderschaft bekunden können, als indem sie selber ihr angehören wollten.
Vierter Zehner:
Vortrefflichkeit des heiligen Rosenkranzes in den Wundern, die Gott zu seinen Gunsten gewirkt hat
EINUNDDREISSIGSTE ROSE
Die heilige Blanka von Kastilien. Alfons VIII.
Als der heilige Dominikus die Königin Blanka von Frankreich besuchte, welche zu ihrer größten Betrübnis 12 Jahre lang seit ihrer Verehelichung kinderlos geblieben war, gab er ihr den Rat, täglich den Psalter zu beten, um die Gnade des Kindersegens vom Himmel zu erlangen. Sie tat es und gebar im Jahre 1213 ihren Erstgeborenen, den sie Philipp nannte. Als aber das Kind noch in der Wiege vom Tode hinweggerafft wurde, wurde der Gebetseifer der frommen Königin in keinster Weise gedämpft. Im Gegenteil, sie nahm mehr denn je ihre Zuflucht zur lieben Gottesmutter und ließ eine Menge Rosenkränze am ganzen Hofe und in mehreren Städten des Königreiches verteilen, damit Gott ihr einen ganzen Segen schenke. Was auch geschah, denn im Jahre 1215 wurde der heilige König Ludwig IX., der Ruhm Frankreichs und das Vorbild der christlichen Könige, geboren.
Alfons VIII., König von Aragonien und Kastilien, wurde von Gott wegen seiner Sünden vielfach bestraft, und er ward gezwungen, sich in die Stadt eines Verbündeten zurückzuziehen. Es traf sich, dass der heilige Dominikus am Weihnachtstage in derselben Stadt weilte und nach seiner Gewohnheit über den Rosenkranz und die Gnaden predigte, welche man von Gott durch diese Andacht erlange. Er sagte unter anderem, dass alle, die ihn andächtig beten, den Sieg über ihre Feinde davontragen und alles zurückerhalten, was sie verloren haben.
Der König merkte sich diese Worte wohl, ließ den heiligen Dominikus rufen und fragte ihn, ob das, was er vom Rosenkranz gepredigt habe, auch wirklich wahr sei. Der Heilige antwortete, man dürfe nicht daran zweifeln, und versprach ihm, wenn er diese Andacht pflegen wolle und sich in die Bruderschaft einschreiben lasse, werde er den Erfolg selbst sehen. Der König entschloß sich, täglich den Psalter zu beten und fuhr damit ein Jahr lang fort.
Und wieder am Weihnachtstage erschien ihm, nachdem er den Psalter beendigt hatte, die Allerseligste Jungfrau und sprach: „Alfons, seit einem Jahre nun dienst du mir fromm durch meinen Rosenkranz, nun komme ich, dich zu belohnen. Wisse, dass ich von meinem Sohne die Verzeihung all deiner Sünden erlangt habe. Siehe, ich gebe dir einen Rosenkranz; trage ihn bei dir, und keiner deiner Feinde wird dir jemals etwas anhaben können." Sie verschwand und ließ den König sehr getröstet zurück.
Er ging mit dem empfangenen Rosenkranz in der Hand nach Hause und erzählte freudig der Königin die Gnade, die er soeben von der Himmelskönigin empfangen hatte. Als er ihr mit dem Rosenkranz die Augen berührte, erhielt sie das Augenlicht wieder zurück, das sie verloren hatte.
Einige Zeit nachher griff der König, der mit Hilfe der Verbündeten einige Truppen wieder gesammelt hatte, seine Feinde mutig an und zwang sie, ihm seine Länder zurückzugeben und die Schäden gutzumachen. Er vertrieb sie vollständig und hatte im Kriege solchen Erfolg, dass ihm von allen Seiten Soldaten zuströmten, um unter seinen Fahnen zu kämpfen, an die der Sieg geheftet schien. Man darf sich darüber nicht wundern, denn er lieferte keine Schlacht, ohne vorher den Psalter auf den Knien zu beten; er ließ seinen ganzen Hof in die Bruderschaft aufnehmen und verpflichtete seine Offiziere und Diener, den Rosenkranz zu beten. Auch die Königin ließ sich aufnehmen, und beide verharrten im Dienste der Allerseligsten Jungfrau und lebten in großer Frömmigkeit.
ZWEIUNDDREISSIGSTE ROSE:
Don Perez
Der heilige Dominikus hatte einen Vetter namens Don Perez oder Pedro, der ein sehr liederliches Leben führte. Als er von den wunderbaren Predigten des Heiligen und von den dadurch bewirkten Bekehrungen vernommen, sprach er: „Ich hatte die Hoffnung auf mein Heil aufgegeben, aber nun fange ich an, Mut zu schöpfen, ich muss diesen Gottesmann hören."
Er kam also eines Tages zur Predigt des heiligen Dominikus. Als der Heilige ihn sah, verdoppelte er seinen Eifer, um gegen die Laster zu donnern, und er bat Gott in seinem Herzen, die Augen seines Vetters zu öffnen und ihm seinen elenden Seelenzustand zu zeigen. Don Perez war zuerst etwas erschreckt; aber er entschloß sich nicht, sich zu bekehren.
Ein anderes Mal kam er wieder zur Predigt. Weil der Heilige aber sah, dass dieses verstockte Herz sich nicht ohne irgendein außerordentliches Ereignis bekehren würde, rief er ganz laut: „O Herr Jesus, zeige dieser ganzen Zuhörerschaft den Zustand desjenigen, der soeben in Dein Haus eingetreten ist."
Alsdann sah das ganze Volk Don Perez von einer Schar Teufel in der Gestalt schrecklicher Tiere umgeben, die ihn mit eisernen Ketten gebunden hielten. Alle flohen ganz entsetzt, die einen hierhin, die andern dorthin: er selbst war noch mehr darüber entsetzt, sich als Gegenstand des Abscheues aller zu sehen.
Der Heilige befahl allen, stehenzubleiben, und sagte zum Edelmanne: „Erkenne, Unglücklicher, den beweinenswerten Zustand, in dem du dich befindest; wirf dich der Zuflucht der Sünder zu Füßen! (Er übergab ihm einen Rosenkranz.) Nimm diesen Rosenkranz, bete ihn mit Andacht und Reue über deine Sünden und fasse den Entschluss, dein Leben zu ändern."
Der Sünder warf sich auf die Knie und betete den Rosenkranz; dann fühlte er sich gedrängt, zu beichten, was er mit großer Zerknirschung tat. Der Heilige befahl ihm, den heiligen Rosenkranz täglich zu beten, was er zu tun versprach. Darauf schrieb er sich eigenhändig in die Bruderschaft ein. Sein Antlitz, das vorher alle in Schrecken versetzt hatte, erschien beim Verlassen der Kirche leuchtend, wie das eines Engels. Er verharrte in der Andacht zum heiligen Rosenkranz, führte ein sehr erbauliches Leben und starb selig.
DREIUNDDREISSIGSTE ROSE:
Ein besessener Albigenser
Als der heilige Dominikus in der Nähe von Carcassonne den heiligen Rosenkranz predigte, führte man ihm einen vom Teufel besessenen Albigenser zu. Der Heilige sprach in Gegenwart einer großen Volksmenge den Exorzismus über ihn aus; man schätzte die Zahl der Zuhörer auf mehr als zwölftausend Personen.
Die Dämonen, von denen der Unglückliche besessen war, wurden vom Heiligen gezwungen, gegen ihren Willen zu gestehen:
Dann legte der heilige Dominikus den Rosenkranz um den Hals des Besessenen und fragte, wen von allen Heiligen des Himmels sie am meisten fürchteten, und wer am meisten von den Menschen geliebt und geehrt werden müsse. Bei dieser Frage stießen sie ein so fürchterliches Geheul aus, dass der größte Teil der Zuhörer von Schrecken ergriffen zu Boden fiel. Alsdann weinten und lamentierten die bösen Geister, um nicht antworten zu müssen, auf eine so erbarmungswürdige und rührende Weise, dass mehrere der Anwesenden aus natürlichem Mitleid weinten.
Die Dämonen sagten durch den Mund des Besessenen mit kläglicher Stimme: „Dominikus, Dominikus, habe Erbarmen mit uns, wir versprechen dir, dass wir dir niemals schaden werden. Du, der du mit den Sündern und Unglücklichen so viel Mitleid hast, erbarme dich über uns Elende. Ach, wir leiden so sehr, warum findest du Vergnügen daran, unsere Qualen zu vermehren? Begnüge dich mit den Peinen, die wir ausstehen. Erbarmen! Erbarmen! Erbarmen!"
Ohne sich durch die ergreifenden Worte dieser unglückseligen Geister rühren zu lassen, antwortete ihnen der Heilige, er werde nicht aufhören, sie zu quälen, bis sie seine Fragen beantwortet hätten.
Die Teufel erwiderten nun, sie wollten ihm darauf antworten, aber im geheimen und nicht vor allen Leuten.
Der Heilige bestand darauf und befahl ihnen, zu antworten und laut zu sprechen. Doch die Teufel wollten kein Wort mehr sagen, wie sehr er ihnen auch befahl.
Da kniete er nieder und richtete folgendes Gebet an Maria:
Nach diesem Gebete brach eine Feuerflamme aus den Ohren, der Nase und dem Mund des Besessenen hervor, welche alle erzittern machte, ohne jedoch jemand Schaden zuzufügen. Dann schrien die Teufel:
„Ihr Elenden, ihr seid unwürdig, erhört zu werden", entgegnete der heilige Dominikus.
Er warf sich wieder auf die Knie und betete:
Kaum hatte er das Gebet vollendet, so sah er die Himmelskönigin von einer Menge von Engeln umgeben. Sie hielt einen goldenen Stab in der Hand, womit sie den Besessenen schlug, und sprach: „Antworte meinem Diener Dominikus auf seine Frage!" (Es ist zu bemerken, dass nur der heilige Dominikus, nicht aber das Volk, die Allerseligste Jungfrau sah und hörte). Dann fingen die Teufel an zu schreien und sagten:
Das heißt auf Deutsch: „O Du unsere Feindin, o Du unsere Verderbnis, Du unsere Beschämung! Warum bist Du vom Himmel herabgestiegen, um uns so zu quälen?
O mächtige Fürsprecherin der Sünder, die Du sie der Hölle entreißest, o Du sicherster Weg zum Himmel, sollen wir gezwungen sein, gegen unseren Willen die volle Wahrheit zu sagen; müssen wir wirklich vor aller Welt bekennen, welches die Ursache unserer Beschämung ist und wodurch wir zuschanden werden? Weh uns! Weh uns Fürsten der Finsternis! Höret also, ihr Christen:
Diese Mutter Christi ist allmächtig, um zu verhindern, dass ihre Diener in unseren höllischen Abgrund stürzen. Sie ist es, die wie eine Sonne die Finsternis all unserer Anschläge und Listen zerstreut. Sie ist es, die unsere Schliche aufdeckt, unsere Schlingen zerreißt und unsere Versuchungen vergeblich und zunichte macht. Gezwungenerweise gestehen wir, dass niemand, der in ihrem Dienste verharrt, mit uns verdammt wird. Ein einziger ihrer Seufzer, den sie der Allerheiligsten Dreifaltigkeit darbringt, übersteigt und übertrifft alle Gebete, alle Wünsche und jegliches Verlangen aller Heiligen. Wir fürchten sie mehr als alle Heiligen zusammen und wir vermögen ihren treuen Dienern nichts anzuhaben. Ja, manche Christen, die sie in ihrer Todesstunde anrufen, werden durch ihre Dazwischenkunft gegen unsere Rechte gerettet. Ah! Wenn nicht diese Marietta (so nannten sie sie in ihrer Wut) uns widerstanden und unsere Anstrengungen vereitelt hätte, so hätten wir schon lange die ganze Kirche gestürzt und ausgerottet und alle ihre Stände und Orden in Irrtum und Unglauben gebracht.
Durch Gewalt und Zwang genötigt, bekennen wir überdies, dass keiner, der in der Übung des Rosenkranzes ausharrt, verdammt wird. Denn sie erlangt ihren ergebenen Dienern eine wahre Reue über ihre Sünden, wodurch sie deren Verzeihung und Nachlassung erlangen."
Nachher ließ der heilige Dominikus das ganze Volk langsam und andächtig den Rosenkranz beten und (o Wunder!) bei jedem Ave Maria, das der Heilige mit dem Volke betete, verließ eine große Menge von Teufeln den Leib des Unglücklichen in Gestalt feuriger Kohlen. Nachdem die Teufel ihn alle verlassen hatten und der Häretiker ganz befreit war, gab die Allerseligste Jungfrau, obgleich unsichtbar, dem ganzen Volke den Segen, den die Anwesenden freudig empfanden. Das Wunder aber bewirkte, dass eine große Zahl Häretiker sich bekehrte und sich in die Rosenkranzbruderschaft aufnehmen ließ.
VIERUNDDREISSIGSTE ROSE:
Simon von Montfort, Alanus von Lanvallay und Othère
Wer könnte die Siege zählen, die Graf Simon von Montfort über die Albigenser unter dem Schutze Unserer Lieben Frau vom heiligen Rosenkränze davongetragen hat? Sie sind so großartig, dass die Welt kaum je Ähnliches erlebt hat. Einmal schlug er mit fünfhundert Mann zehntausend Häretiker, ein andermal blieb er mit dreißig Mann Sieger über dreitausend, darauf schlug er mit achthundert Reitern und tausend Mann Infanterie die Armee des Königs von Aragonien, welche aus hunderttausend Mann bestand, wobei er nicht mehr als einen einzigen Reiter und acht von seinen Soldaten verlor.
Aus welchen Gefahren hat Maria nicht den Alanus von Lanvallay befreit, einen bretonischen Ritter, der für den Glauben gegen die Albigenser kämpfte! Als er eines Tages von allen Seiten von seinen Feinden umgeben war, ließ die Allerseligste Jungfrau hundertfünfzig Steine auf sie niederfallen und befreite ihn aus ihren Händen.
Ein andermal, als er Schiffbruch erlitt und sein Schiff am Versinken war, da ließ diese gute Mutter hundertfünfzig kleine Hügel erscheinen, auf denen er in die Bretagne gelangte. Zum Andenken an die Wunder, die die Gottesmutter zu seinen Gunsten wegen des Rosenkranzes wirkte, den er jeden Tag betete, errichtete er in Dinan ein Kloster für die Ordensbrüder des heiligen Dominikus, und, nachdem er selbst Ordensmann geworden, starb er in Orléans eines heiligen Todes.
Othère, auch ein bretonischer Soldat aus Vaucouleurs, trug den Rosenkranz am Arm und am Säbelknauf und schlug dadurch oft ganze Kompanien von Häretikern und Räubern in die Flucht. Die von ihm besiegten Feinde gestanden ihm, sein Schwert ganz leuchtend gesehen zu haben, und ein andermal erblickten sie einen Schild an seinem Arme, auf welchem Jesus Christus, Maria und die Heiligen abgebildet waren, welche ihn unsichtbar machten und ihm die Kraft gaben, heftig anzugreifen.
Einmal schlug er mit zehn Kompanien zwanzigtausend Irrgläubige, ohne einen einzigen von den Seinigen zu verlieren, was den General der häretischen Truppen so sehr ergriff, dass er Othère aufsuchte, seiner Häresie abschwur und erklärte, er habe ihn im Kampfe von feurigen Waffen gedeckt gesehen.
FÜNFUNDDREISSIGSTE ROSE:
Der Kardinal Petrus
Der selige Alanus berichtet, Kardinal Petrus vom Titel Sancta Maria jenseits des Tibers, habe, von seinem intimen Freunde, dem heiligen Dominikus, über die Andacht zum heiligen Rosenkranz belehrt, dieselbe so lieb gewonnen, dass er ihr Lobredner wurde und sie allen anempfahl. Der Kardinal ward als Legat ins Heilige Land zu den Christen gesandt, welche einen Kreuzzug gegen die Sarazenen unternommen hatten. Dort überzeugte er die christliche Armee so sehr von der Wirksamkeit des Rosenkranzes, dass alle diese Andachtsübung annahmen, um den Schutz des Himmels zu erflehen in einem Kampfe, in dem sie, nur dreitausend an der Zahl, über hunderttausend Feinde triumphierten.
Wie wir gesehen haben, fürchten die Teufel den Rosenkranz überaus. Der heilige Bernhard sagt, der Engelsgruß schlage sie in die Flucht und mache die ganze Hölle erbeben. Der selige Alanus versichert, er habe mehrere Personen gesehen, die die Taufe und Jesus Christus verleugnet und sich dem Teufel mit Leib und Seele übergeben hatten und die später aus seiner Gewalt befreit wurden, nachdem sie sich der Andacht des heiligen Rosenkranzes zugewandt hatten.
SECHSUNDDREISSIGSTE ROSE:
Eine Frau von Antwerpen wird aus den Ketten des Teufels befreit
Im Jahre 1578 hatte sich eine Frau von Antwerpen dem Teufel durch einen mit ihrem Blut Unterzeichneten Zettel verschrieben. Einige Zeit nachher empfand sie schmerzliche Reue darüber und ein heftiges Verlangen, das Übel wiedergutzumachen. Sie suchte deshalb einen klugen und liebevollen Beichtvater, um zu erfahren, durch welches Mittel sie wieder aus der Gewalt des Teufels befreit werden könnte. Sie fand einen weisen und frommen Priester, der ihr den Rat gab, den Pater Heinrich, Direktor der Bruderschaft des heiligen Rosenkranzes aus dem Kloster des heiligen Dominikus aufzusuchen, um sich von ihm aufnehmen zu lassen und bei ihm zu beichten.
Sie ließ ihn rufen, aber anstatt des Paters fand sie den Teufel in Gestalt eines Ordensmannes, der sie strenge tadelte und zu ihr sagte, sie habe von Gott keine Gnade mehr zu erhoffen und es gebe auch kein Mittel, das zurückzunehmen, was sie unterschrieben habe, was sie sehr betrübte.
Doch verlor sie nicht alle Hoffnung auf die Barmherzigkeit Gottes, sondern kehrte noch einmal zurück, um den Pater aufzusuchen, und sie fand wieder den Teufel, der sie wie vorher zurückwies.
Sie aber kehrte zum dritten Mal zurück und fand durch göttliche Fügung den Pater Heinrich, den sie suchte, und der sie liebevoll aufnahm, sie ermahnte, auf die Güte Gottes zu vertrauen und eine gute Beichte abzulegen. Er nahm sie in die Bruderschaft auf und befahl ihr, oft den Rosenkranz zu beten. Während der heiligen Messe, die der Pater eines Tages für sie las, zwang die Allerseligste Jungfrau den Teufel, der Frau den Zettel zurückzugeben, den sie unterschrieben hatte; und auf diese Weise wurde sie durch die Macht Mariä und durch die Andacht zum heiligen Rosenkranze befreit.
SIEBENUNDDREISSIGSTE ROSE:
Ein Kloster wird durch den Rosenkranz geistig erneuert
Ein Edelmann, der mehrere Kinder hatte, schickte eine seiner Töchter in ein Kloster, aus dem alle Disziplin geschwunden war und in dem die Klosterfrauen nur nach Eitelkeit und Vergnügen trachteten. Der Beichtvater, ein eifriger und der Andacht des heiligen Rosenkranzes ergebener Priester, wünschte die junge Ordensfrau von Anfang an in die Übung eines heiligen Lebens einzuführen und befahl ihr deshalb, täglich den Rosenkranz zu Ehren der Gottesmutter zu beten und dabei das Leben, Leiden und die Glorie Jesu Christi zu betrachten. Sie nahm diese Andacht sehr gerne an. Nach und nach empfand sie Abscheu vor der Regellosigkeit ihrer Mitschwestern; sie begann, das Stillschweigen und die Betrachtung zu lieben trotz der Verachtung und der Spötteleien der anderen, die sie als Betschwester behandelten.
Zu derselben Zeit kam ein heiliger Abt zur Visitation in jenes Kloster. Während er in Betrachtung war, hatte er eine seltsame Vision. Es schien ihm, als sehe er eine Klosterfrau in ihrem Zimmer im Gebete versunken vor einer herrlichen Frau von wunderbarer Schönheit und von einer Engelschar umgeben. Die Engel verjagten mit feurigen Pfeilen eine ganze Menge Teufel, die einzudringen suchten, und diese bösen Geister flohen in die Zellen der übrigen Klosterfrauen in Gestalt unreiner Tiere, um sie zur Sünde zu reizen, was ihnen bei vielen gelang.
Durch dieses Gesicht erkannte der Abt den traurigen Zustand des Klosters und meinte vor Traurigkeit fast zu sterben. Er ließ die junge Nonne zu sich kommen und ermahnte sie zur Beharrlichkeit.
Indem er über die Vortrefflichkeit des Rosenkranzes nachdachte, faßte er den Plan, durch diese Andacht die Klosterfrauen geistig zu erneuern. Er kaufte schöne Rosenkränze, die er allen Schwestern gab, und flehte sie an, ihn jeden Tag zu beten, wobei er versprach, sie niemals zur Reform zu zwingen, wenn sie diesen Rat befolgen würden.
Sie nahmen die Rosenkränze gern an und versprachen, ihn unter dieser Bedingung zu beten. Nach und nach gaben sie ihre Eitelkeiten auf, wandten sich dem Stillschweigen und der Sammlung zu, und in weniger als einem Jahre verlangten alle von selber die Reform. Der Rosenkranz wirkte mehr auf ihre Herzen ein, als der Abt durch seine Ermahnungen und seine Autorität hätte erreichen können.
ACHTUNDDREISSIGSTE ROSE:
Die Andacht eines spanischen Bischofs zum Rosenkranz
Eine spanische Gräfin, die vom heiligen Dominikus in der Andacht des heiligen Rosenkranzes unterwiesen worden war, betete ihn täglich mit wunderbarem Fortschritt in der Tugend. Da sie nur nach der Vollkommenheit trachtete, bat sie eines Tages einen Prälaten und berühmten Prediger, ihr einige Übungen der Vollkommenheit anzugeben. Der Prälat sagte zu ihr, zuerst müsse sie ihm den Zustand ihrer Seele und ihre Andachtsübung mitteilen. Sie antwortete, ihre hauptsächlichste Übung sei der Rosenkranz, den sie täglich bete, indem sie die freudenreichen, die schmerzhaften und die glorreichen Geheimnisse mit großem geistlichen Vorteil für ihre Seele betrachte.
Der Bischof, ganz entzückt darüber, die kostbaren Unterweisungen erklären zu hören, die in den Geheimnissen eingeschlossen sind, versetzte: „Seit zwanzig Jahren bin ich Doktor der Theologie, ich habe eine Menge ausgezeichneter Andachtsübungen gelesen, habe aber keine gefunden, die fruchtbarer wäre und dem Christentum besser entspräche. Ich will Sie nachahmen; von nun an werde ich den Rosenkranz predigen."
Er tat es mit so glücklichem Erfolg, dass er in kurzer Zeit eine große Sittenänderung in seiner Diözese, mehrere Bekehrungen, Wiedererstattungen und Aussöhnungen wahrnahm. Sittenlosigkeit, Luxus und Spiel hörten auf; in die Familien kehrte der Friede ein, die Frömmigkeit und Nächstenliebe begann zu blühen. Das war eine umso wunderbarere Veränderung, als der Bischof vorher sehr eifrig, aber mit wenig Erfolg an der Reform seiner Diözese gearbeitet hatte.
Um die Andacht des Rosenkranzes besser zu verbreiten, trug er einen schönen Rosenkranz an seiner Seite und sagte, indem er ihn den Zuhörern zeigte: „Wisset, meine Brüder, der Rosenkranz der Allerseligsten Jungfrau ist so vortrefflich, dass ich, euer Bischof, Doktor der Theologie und beider Rechte, mir eine Ehre daraus mache, ihn als das vornehmste Zeichen meiner Bischofswürde und meines Doktorates zu tragen."
NEUNUNDDREISSIGSTE ROSE:
Heiligung einer Pfarrgemeinde durch den Rosenkranz
Ein Pfarrer aus Dänemark erzählte oft zur größeren Ehre Gottes und mit großer Freude seiner Seele, er habe in seiner Pfarrei eine ähnliche Frucht der Andacht zum heiligen Rosenkranz gesehen wie jener Bischof in seiner Diözese. „Ich hatte", so erzählte er, „über die wichtigsten und fruchtbarsten Wahrheiten gepredigt, aber ohne jeden Erfolg; ich nahm in meiner Gemeinde gar keine Besserung wahr. Endlich faßte ich den Entschluss, den heiligen Rosenkranz zu predigen. Ich erklärte dessen Vortrefflichkeit und Übung, und ich beteuere feierlich: nachdem ich erreicht hatte, dass diese Andacht beim Volke beliebt war, sah ich in einem halben Jahre eine offenkundige Veränderung. So wahr ist es, dass dieses göttliche Gebet eine ganz göttliche Salbung besitzt, um die Herzen zu rühren und ihnen den Abscheu vor der Sünde und die Liebe zur Tugend einzuflößen."
Die Himmelskönigin sagte eines Tages zum seligen Alanus: „Wie Gott für die Menschwerdung Seines Wortes und die Erlösung der Menschen den Englischen Gruß gewählt hat, so müssen auch jene, welche die Sitten der Völker verbessern und in Jesus Christus erneuern wollen, mich mit demselben Gruße ehren und grüßen. Ich bin - fügte sie bei - der Weg, auf dem Gott zu den Menschen gekommen ist, und nach Jesus Christus müssen sie die Gnade und die Tugenden durch mich erlangen."
Ich selbst, der ich dies schreibe, habe aus eigener Erfahrung die Kraft dieses Gebetes zur Bekehrung der verstocktesten Herzen kennengelernt. Ich habe solche gefunden, auf welche die schrecklichsten Wahrheiten, die man in einer Mission predigt, keinen Eindruck machten; aber nachdem sie auf meinen Rat hin die Übung des täglichen Rosenkranzes angenommen, bekehrten sie sich und gaben sich ganz Gott hin. Ich habe einen gewaltigen Unterschied der Sitten zwischen den einzelnen Pfarreien, in denen ich die Missionen gehalten hatte, gesehen, denn die einen haben die Übung des Rosenkranzes wieder aufgegeben und sind in ihre Sünden zurückgefallen; die anderen aber, welche ihm treugeblieben sind, haben in der Gnade Gottes ausgeharrt und nahmen von Tag zu Tag in der Tugend zu.
VIERZIGSTE ROSE:
Wunderbare Wirkungen des Rosenkranzes
Der selige Alanus de Rupe, P. Johann vom Berg, P. Thomas, die Chroniken des heiligen Dominikus und andere Autoren, die oft Augenzeugen waren, berichten eine Menge wunderbarer Bekehrungen von Sündern und Sünderinnen, die seit zwanzig, dreißig und vierzig Jahren in den größten Sünden gelebt hatten und durch nichts bekehrt werden konnten, aber schließlich durch diese wunderbare Andacht gebessert wurden. Ich will sie nicht anführen, um nicht zu lang zu werden. Nicht einmal über jene will ich berichten, die ich selbst mit eigenen Augen gesehen habe: ich übergehe sie aus mehreren Gründen mit Stillschweigen.
Lieber Leser, wenn du diese Andacht übst und predigst, wirst du aus eigener Erfahrung mehr daraus lernen, als aus irgendeinem Buche, und du wirst mit Freuden die Wirkungen der Verheißungen erfahren, welche Maria dem heiligen Dominikus und dem seligen Alanus und allen jenen gemacht hat, welche eine Andacht verbreiten, die ihr so wohlgefällig ist, die die Völker in den Tugenden ihres Sohnes und in den ihrigen unterweist, die zum betrachtenden Gebete, zur Nachfolge Christi, zum häufigen Empfang der Sakramente, zur echten Übung der Tugenden und aller Arten guter Werke anleitet, die uns so viele und so große Ablässe vermittelt, welche sonst dem Volke unbekannt bleiben, weil die Prediger dieser Andacht fast nie davon sprechen und sich oft damit begnügen, eine landläufige Rosenkranzpredigt zu halten, die nur Bewunderung erregt, aber keine tiefgründige Belehrung vermittelt.
Ich begnüge mich endlich, mit dem seligen Alanus zu sagen, dass der heilige Rosenkranz eine Quelle und Vorratskammer aller Güter ist.
„Ich will", sagte die Allerseligste Jungfrau eines Tages zum seligen Alanus, „dass die Verehrer meines Rosenkranzes im Leben, im Tode und nach dem Tode Segen, Gnadenfülle und Freiheit haben und frei seien von Verblendung und Verhärtung, von Mangel und Knechtschaft. Könige sollen sie sein mit der Krone auf dem Haupte, dem Zepter in der Hand und teilhaftig der ewigen Glorie.“ Amen. So sei es.
Fünfter Zehner:
Die Art und Weise, den Rosenkranz zu beten
EINUNDVIERZIGSTE ROSE:
Reinheit des Herzens
Es ist nicht so sehr die lange Dauer, als vielmehr die Inbrunst des Gebetes, die Gott gefällt und Sein Herz gewinnt. Ein einziges gut gebetetes Ave Maria ist von größerem Verdienst als hundertfünfzig schlecht gebetete.
Fast alle katholischen Christen beten den Psalter, den Rosenkranz oder wenigstens einige Gesätze davon. Warum also gibt es so wenige, die sich von ihren Sünden abwenden und in der Tugend fortschreiten, wenn nicht deshalb, weil sie diese Gebete nicht auf die rechte Art und Weise verrichten?
Betrachten wir also, wie man sie verrichten muss, um Gott zu gefallen und heiliger zu werden:
Dieses Volk ehrt Mich nur mit den Lippen, sein Herz jedoch ist fern von Mir" (Mk 7,6).
Jene (sagt Jesus Christus), die in Meine Bruderschaften eintreten und täglich den Rosenkranz ohne irgendwelche Reue über ihre Sünden beten, ehren Mich mit den Lippen, aber ihr Herz ist fern von Mir.
Ich habe vorhin gesagt: oder wenigstens entschlossen sein, sich aus dem Stand der Sünde zu erheben, denn:
Wir raten allen an, den Rosenkranz zu beten: den Gerechten, damit sie in der Gnade Gottes ausharren und darin zunehmen, den Sündern, um sich aus ihren Sünden zu erheben.
Aber Gott verhüte, dass wir einen Sünder aufmuntern, aus dem Schutzmantel der Mutter Gottes einen Deckmantel der Verbrechen zur Verdammnis zu machen, und den Rosenkranz, der ein Heilmittel für alle Übel ist, in ein verhängnisvolles und tödliches Gift zu verwandeln. Corruptio optimi pessima: „Die Verderbnis des Besten ist die schlimmste.“ „Man muss ein Engel an Reinheit sein“, sagt der gelehrte Kardinal Hugo, „um sich der Gottesmutter zu nahen und den Englischen Gruß zu beten.“
Eines Tages zeigte Maria einem unzüchtigen Menschen, der regelmäßig jeden Tag den heiligen Rosenkranz betete, schöne Früchte in einem mit Kot beschmutzten Gefäße. Als er dabei erschauderte, sprach sie: „Siehe da, wie du mir dienst, du reichst mir schöne Rosen in einem schmutzigen und unreinen Gefäße. Urteile selbst, ob ich sie mit Wohlgefallen annehmen kann!"
ZWEIUNDVIERZIGSTE ROSE:
Man muss den Rosenkranz mit Andacht beten
Um gut zu beten, genügt es nicht, unsere Bitten durch die vorzüglichste aller Gebetsweisen, nämlich den Rosenkranz, vorzubringen, sondern man muss auch große Andacht darauf verwenden, weil Gott mehr auf die Stimme des Herzens, als auf die Stimme des Mundes hört.
Mit freiwilligen Zerstreuungen zu Gott beten wäre eine große Unehrerbietigkeit, die unsere Rosenkränze unfruchtbar machen und uns mit Sünden beladen würde. Wie dürfte man Gott bitten, er möge uns anhören, wenn wir uns selbst nicht einmal hören, und während wir diese furchtbare Majestät, die alles erzittern macht, um etwas bitten, uns freiwillig damit aufhalten, einem Schmetterlinge nachzulaufen? So wenden wir den Segen dieses großen Herrn von uns ab und verwandeln ihn in den Fluch, der gegen jene ausgesprochen ist, die das Werk Gottes mit Nachlässigkeit vollbringen: Maledictus qui facit opus Dei neglegenter: „Verflucht sei, wer das Werk des Herrn nachlässig vollbringt!” (Jer 48,10)
Du kannst in Wahrheit den Rosenkranz nicht ohne irgendwelche unfreiwillige Zerstreuungen beten; es ist sogar schwer, ein Ave Maria zu beten, ohne dass deine stets bewegliche Einbüdungskraft dir etwas von der Aufmerksamkeit raube; aber du kannst ihn ohne freiwillige Zerstreuung beten, und du musst allerlei Mittel anwenden, um die unfreiwilligen zu vermindern und deine Phantasie zu fesseln.
Versetze dich zu diesem Zwecke in die Gegenwart Gottes, glaube daran, dass Gott und Seine heilige Mutter dich sehen, dass dein guter heiliger Schutzengel zu deiner Rechten die gut verrichteten Ave Maria als ebensoviele Rosen nimmt, um daraus für Jesus und Maria einen Kranz zu flechten, und dass der Teufel hingegen zu deiner Linken dir auflauert, um deine Ave Maria zu verschlingen und in sein Buch des Todes aufzuzeichnen, wenn du sie nicht mit Aufmerksamkeit, Andacht und Bescheidenheit betest. Vergiß vor allem nicht die Aufopferung der Zehner zu Ehren der Geheimnisse vorzunehmen und dir in deiner Phantasie den göttlichen Heiland und seine heiligste Mutter in dem betreffenden Geheimnisse vorzustellen.
Man liest folgendes im Leben des seligen Hermann aus dem Orden der Prämonstratenser. Als er den Rosenkranz aufmerksam und andächtig unter Betrachtung der heiligen Geheimnisse betete, erschien ihm die Mutter Gottes ganz von Lichtglanz umflossen in entzückender Schönheit und Majestät. Später aber, nachdem seine Andacht erkaltete, erschien sie ihm mit Runzeln im Antlitz, ganz traurig und unfreundlich. Da Hermann über diese Veränderung erstaunt war, sprach Maria zu ihm: „Ich erscheine so vor deinen Augen, wie ich jetzt in deiner Seele bin, denn du behandelst mich nur noch als eine niedere und verächtliche Person. Wo ist die Zeit, da du mich mit Ehrerbietung und Aufmerksamkeit grüßtest in Betrachtung meiner Geheimnisse und voll Bewunderung über meine Größe?"
DREIUNDVIERZIGSTE ROSE:
Man muss die Zerstreuungen mutig bekämpfen
Wie es kein für die Seele verdienstreicheres Gebet gibt, als den gut gebeteten Rosenkranz, so bietet auch kein Gebet mehr Schwierigkeit, es gut zu verrichten und darin auszuharren, namentlich wegen der Zerstreuungen, die bei einer so häufigen Wiederholung desselben Gebetes von selber kommen.
Wenn man die Tagzeiten der Allerseligsten Jungfrau oder die sieben Bußpsalmen oder andere Gebete als den Rosenkranz betet, so fesselt die Abwechslung oder die Verschiedenheit der Ausdrücke, mit der die Gebete abgefaßt sind, die Phantasie und regt den Geist an, und infolgedessen bieten sie der Seele mehr Leichtigkeit, sie gut zu verrichten.
Aber weil man im Rosenkranz immer dieselben Vaterunser und Gegrüßet seist Du Maria usw. zu beten und dieselbe Form einzuhalten hat, ist es sehr schwer, sich dabei nicht zu langweilen, und man gibt ihn leicht auf, um sich anderen, anregenderen und weniger langweiligen Gebeten zuzuwenden. Es braucht deshalb viel mehr Andacht, um im Rosenkranz auszuharren, als in irgendeinem anderen Gebete, selbst im Psalterium Davids.
Was die Schwierigkeiten erhöht, ist unsere Einbildungskraft, die so flüchtig ist, dass sie fast keinen Augenblick ruhig bleibt, und die Bosheit des Teufels, der unermüdlich uns zu zerstreuen und am Gebet zu hindern sucht. Was tut dieser böse Geist nicht alles gegen uns, während wir eben unseren Rosenkranz beten, um ihn zu bekämpfen? Er erhöht unsere natürliche Trägheit und Nachlässigkeit. Bevor wir noch mit dem Gebete beginnen, vermehrt er unseren Überdruß, unsere Zerstreuungen, unsere Niedergeschlagenheit. Während wir beten, belästigt er uns von allen Seiten, und, nachdem wir mit großer Mühe und vielen Zerstreuungen zu Ende gekommen sind, flüstert er uns zu: „Was du gebetet hast, ist ganz wertlos; dein Rosenkranz ist nichts wert, du würdest besser tun, zu arbeiten und deine Geschäfte zu besorgen; du verlierst deine Zeit mit so vielen mündlichen und unandächtigen Gebeten; eine halbstündige Betrachtung oder eine geistliche Lesung wäre viel besser. Morgen, wenn du weniger schläfrig bist, wirst du andächtiger beten, verspare den Rest deines Rosenkranzes auf morgen."
Durch solche Listen erzielt der Teufel oft, dass jemand den Rosenkranz ganz oder teilweise aufgibt, oder ihn gegen andere Gebete vertauscht oder ihn verschiebt.
Glaube ihm nicht, mein lieber Mitbruder, und fasse Mut, wenn auch deine Phantasie während des ganzen Rosenkranzes von abschweifenden Gedanken erfüllt war, wenn du nur, sobald du es bemerktest, versucht hast, sie so gut als möglich auszuschlagen.
Dein Rosenkranz ist umso besser, je verdienstreicher er ist; er ist umso verdienstreicher, je beschwerlicher er ist; er ist umso beschwerlicher, je weniger er der Seele natürlicherweise angenehm und je mehr er von diesen erbärmlichen kleinen Fliegen und Ameisen belästigt ist, die gegen unseren Willen in der Phantasie hin- und herlaufen und der Seele keine Zeit lassen, das Gebet zu kosten und in Frieden zu ruhen.
Wenn du während deines ganzen Rosenkranzes gegen die anstürmenden Zerstreuungen kämpfen musst, so kämpfe tapfer, mit den Waffen in der Hand, d.h. setze deinen Rosenkranz fort, wenn auch ohne jeden fühlbaren geistlichen Trost. Es ist das ein mühseliger, aber für die treue Seele heilsamer Kampf.
Wenn du die Waffen streckst, d.h. den Rosenkranz aufgibst, dann bist du besiegt, und der Teufel, der deine Standhaftigkeit überwunden hat, wird dich für den Augenblick in Ruhe lassen, um am Tage des Gerichtes dir deinen Kleinmut und deine Untreue vorzuhalten. Qui fidelis est in minimo, et in majori fidelis est: „Wer im Geringsten treu ist, der ist auch im Größeren getreu" (Lk 16,10). Wer treu ist, die kleinsten Zerstreuungen auch beim geringsten Teil seiner Gebete zu bekämpfen, der wird auch in den größten Dingen treu sein. Nichts ist so gewiß, wie dies; denn der Heilige Geist selbst hat es gesagt.
Mut also, getreue Diener und Dienerinnen Jesu Christi und Seiner heiligsten Mutter, die ihr den Entschluss gefaßt habt, den Rosenkranz täglich zu beten! Die Menge der Fliegen, so nenne ich die Zerstreuungen, die während des Gebetes gegen euch ankämpfen, sollen es nicht zustande bringen, dass ihr die Gesellschaft Jesu und Mariä, in der ihr euch während des Rosenkranzgebetes befindet, feige verlasset. (Ich werde weiter unten die Mittel angeben, um die Zerstreuungen zu verhüten; siehe 50. Rose).
VIERUNDVIERZIGSTE ROSE:
Wie man den Rosenkranz beten soll - Beispiel
Nachdem du den Heiligen Geist um Seinen Beistand angerufen hast, um den Rosenkranz gut zu beten, versetze dich einen Augenblick in die Gegenwart Gottes und mache die Aufopferung, wie sie weiter unten angegeben wird (siehe 50. Rose).
Vor jedem Gesätze halte einen Augenblick inne, länger oder kürzer, je nachdem es dir die Zeit gestattet, erwäge das Geheimnis, das du im folgenden Zehner verehrst und erbitte immer durch dieses Geheimnis und die Fürbitte der Mutter aller Gnaden eine Tugend, die in dem Geheimnisse am meisten hervorleuchtet, oder die du am notwendigsten hast.
Hüte dich vor allem vor den zwei gewöhnlichen Fehlern, welche fast alle Rosenkranzbeter begehen.
Der erste Fehler besteht darin, dass sie mit dem Rosenkranzgebet keine bestimmte Meinung verbinden, und wenn man sie dann fragt, wozu sie den Rosenkranz beten, können sie keine Antwort darauf geben. Habe deshalb immer, wenn du den Rosenkranz betest, einige Gnaden im Auge, die du erflehen, irgendeine Tugend, die du nachahmen, oder eine Sünde, die du ausrotten willst.
Der zweite Fehler, den man gewöhnlich beim Beten des Rosenkranzes begeht, hegt darin, dass man beim Beginn keine andere Absicht hat, als möglichst bald damit fertig zu werden. Das kommt daher, dass man den Rosenkranz als eine Bürde empfindet, die schwer auf den Schultern lastet, solange man ihn nicht gebetet hat, besonders wenn man sich eine Gewissenssache daraus gemacht oder wenn man ihn als Buße und gleichsam gegen seinen Willen bekommen hat.
Es ist erbärmlich, zu sehen, wie die meisten ihren Rosenkranz beten. Sie beten ihn mit einer unbegreiflichen Eilfertigkeit und überhasten dabei einen Teil der Worte. Nicht einmal dem niedrigsten Menschen wollte man eine Höflichkeitsbezeugung auf so lächerliche Weise darbringen, und man glaubt, Jesus und Maria würden dadurch geehrt werden! Muss man sich nachher wundern, wenn die heiligsten Gebete der christlichen Religion fast fruchtlos bleiben, und wenn man nach tausend und zehntausend hergesagten Rosenkränzen nicht heiliger ist?
Lieber Mitbruder, halte mit deiner natürlichen Übereilung beim Gebete ein und mache im Vaterunser und im Ave Maria eine längere Pause in der Mitte und eine kleinere nach den Worten, die ich nachstehend mit einem Sternchen bezeichne:
Vater unser, der Du bist im Himmel * geheiliget werde Dein Name * zu komme uns Dein Reich * Dein Wille geschehe wie im Himmel, also auch auf Erden*. - Gib uns heute unser tägliches Brot * und vergib uns unsere Schuld * wie auch wir vergeben unseren Schuldigrn * und führe uns nicht in Versuchung * sondern erlöse uns von dem Übel. * Amen.
Gegrüßet seist Du, Maria, * voll der Gnade * der Herr ist mit Dir * Du bist gebenedeit unter den Weibern * und gebenedeit ist die Frucht Deines Leibes * Jesus * - Heilige Maria, Mutter Gottes * bitte für uns arme Sünder* jetzt und in der Stunde unseres Absterbens.* Amen.
Zuerst wird es dir wegen deiner schlechten Gewohnheit, hastig zu beten, Mühe bereiten, diese Zwischenpausen zu machen; dafür aber wird ein so bedächtig gebetetes Gesätzchen auch viel verdienstlicher sein als Tausende von Rosenkränzen, die in der Eile, ohne Nachdenken und Anhalten gebetet werden.
Der selige Alanus de Rupe und andere Schriftsteller, wie z. B. der heilige Robert Bellarmin, erzählen folgendes Beispiel. Ein frommer Priester riet einmal drei Schwestern, die seine Beichtkinder waren, ein Jahr lang jeden Tag ohne Ausnahme andächtig den Rosenkranz zu beten, um der Allerseligsten Jungfrau ein schönes Ehrenkleid daraus zu bereiten, und er fügte bei, es sei dies ein Geheimnis, welches er vom Himmel erhalten habe. Alle drei Schwestern beteten den Rosenkranz ein Jahr lang.
Am Vorabend des Festes Mariä Reinigung, als sich alle drei zur Ruhe begeben hatten, trat die Gottesmutter in ihr Zimmer, von der heiligen Katharina und der heiligen Agnes begleitet, angetan mit einem von Lichtglanz blendenden Kleide, auf welchem an allen Seiten in goldenen Buchstaben geschrieben stand: Ave Maria gratia plena. Die Himmelskönigin näherte sich dem Lager der ältesten Schwester und sprach zu ihr: „Ich grüße dich, meine Tochter, die du mich so oft und so andächtig gegrüßt hast. Ich komme, um dir für das schöne Gewand zu danken, das du mir verfertigt hast." Die beiden heiligen Jungfrauen, die sie begleiteten, dankten ihr ebenfalls, und die Erscheinung verschwand.
Eine Stunde später trat die Gottesmutter mit ihren zwei Begleiterinnen wieder ins Zimmer, mit einem grünen Gewände bekleidet, aber ohne Gold und ohne Lichtglanz, näherte sich dem Bette der zweiten Schwester, und dankte ihr für dieses Kleid, das sie ihr mit dem Rosenkranzgebet geschenkt habe. Aber da die zweite Schwester gesehen hatte, dass die Allerseligste Jungfrau der älteren Schwester viel glänzender erschienen war, fragte sie nach der Ursache. Maria antwortete: „Sie hat mir schönere Kleider verfertigt, da sie ihren Rosenkranz besser betete als du."
Ungefähr eine Stunde nachher erschien Maria ein drittes Mal der jüngsten Schwester, bekleidet mit einem schmutzigen und zerrissenen Gewand und sprach zu ihr: „O meine Tochter, so hast du mich gekleidet, ich danke dir dafür."
Voll Beschämung rief das Mädchen aus: „Wie! meine Herrin, so schlecht habe ich Dich gekleidet! O, ich bitte Dich um Verzeihung! Gib mir noch Zeit, und ich werde Dir ein schöneres Kleid machen, indem ich meinen Rosenkranz besser bete!"
Nachdem die Erscheinung verschwunden war und die jüngste Schwester tiefbetrübt alles dem Beichtvater erzählt hatte, was sich zugetragen, munterte er sie auf, den Rosenkranz ein Jahr lang vollkommener als bisher zu beten, was sie tat. Am Ende des Jahres erschien ihnen die Allerseligste Jungfrau wieder am Feste Mariä Reinigung gegen Abend, mit einem wunderbaren Gewände angetan und in Begleitung der heiligen Katharina und Agnes, welche Kronen trugen, und sprach zu ihnen: „Meine Töchter, seid des Himmelreiches gewiß, morgen werdet ihr mit großem Jubel in dasselbe eingehen!" Alle drei antworteten darauf: „Unser Herz ist bereit, o unsere teure Herrin, unser Herz ist bereit." Die Erscheinung verschwand.
In derselben Nacht wurden die drei Schwestern krank, ließen den Beichtvater rufen, empfingen die Sterbesakramente und dankten ihm für die heilige Übung, die er sie gelehrt hatte. Nach der Komplet erschien ihnen die Mutter Gottes, von einer großen Zahl von Jungfrauen begleitet, ließ die drei Schwestern mit weißen Gewändern kleiden, worauf alle drei verschieden, während die Engel sangen: „Kommet, ihr Bräute Jesu Christi und empfanget die Kronen, die euch in der Ewigkeit bereitet sind."
Lerne aus dieser Erzählung mehrere Wahrheiten:
FÜNFUNDVIERZIGSTE ROSE:
Wie man auch die äußere Ehrfurcht wahren soll
Ich füge bei, dass man den Rosenkranz auch mit äußerer Ehrfurcht beten soll, d.h. wenn möglich auf den Knien mit dem Rosenkranz in der gefalteten Hand. Jedoch, wenn man krank ist, kann man ihn auch im Bett verrichten; ist man auf der Reise, so betet man ihn im Gehen oder Fahren; wenn man aus Kränklichkeit nicht knien kann, darf man ihn stehend oder sitzend verrichten.
Man darf ihn sogar während der Arbeit beten, wenn man die Arbeit nicht verlassen kann, ohne die Standespflichten zu verletzen, denn die Handarbeit ist dem mündlichen Gebete nicht immer hinderlich. Ich gestehe, dass unsere Seele, die nur von beschränkter Fähigkeit ist, der Geistestätigkeit, z. B. dem Gebete, weniger Aufmerksamkeit schenken kann, während sie auf die Handarbeit achtet; im Notfälle indessen hat dieses Gebet seinen Wert in den Augen Mariä, die mehr den guten Willen des Herzens als das äußere Werk belohnt.
Ich rate dir, den Psalter in drei Rosenkränze einzuteilen oder ihn zu drei verschiedenen Tageszeiten zu beten. Es ist besser, ihn so zu verteilen, als ihn auf einmal ganz zu beten.
Wenn du nicht genug Zeit finden kannst, fünf Gesätze nacheinander zu beten, so bete einen Zehner da, einen Zehner dort. Auf diese Weise kannst du trotz aller deiner Beschäftigungen deinen Psalter vor dem Schlafengehen vollendet haben.
Ahme hierin die Treue des heiligen Franz von Sales nach. Auf einer Visitationsreise hatte er eines Tages bis in die späte Nacht hinein keine Zeit gefunden, seinen Rosenkranz zu vollenden. Kurz vor Mitternacht erinnerte er sich, dass ihm noch einige Gesätze seines Psalters zu beten übrigblieben. Gleich kniete er nieder und betete sie vor dem Schlafengehen, trotzdem sein Hofkaplan, der ihn so ermüdet sah, ihm zuredete, den Rest seines Gebetes auf den folgenden Tag zu verschieben.
Ahmet auch die Treue, die Ehrfurcht und die Andacht jenes heiligen Ordensmannes nach, von dem die Chroniken des heiligen Franziskus sprechen, und der die Gewohnheit hatte, vor dem Mittagessen mit großer Andacht und Ehrfurcht einen Rosenkranz zu beten. Ich habe weiter oben davon gesprochen.
SECHSUNDVIERZIGSTE ROSE:
Wie man den Rosenkranz gemeinschaftlich und in zwei Chören beten soll
Von allen Arten, den heiligen Rosenkranz zu beten, gereicht keine Gott mehr zur Ehre, der Seele mehr zum Nutzen und dem Teufel mehr zum Schrecken als das öffentliche, chorweise Beten.
Gott liebt die Versammlungen. Alle Engel und Seligen, die im Himmel versammelt sind, singen unaufhörlich Sein Lob. Die auf Erden in verschiedenen Genossenschaften und Gemeinden versammelten Gerechten beten gemeinsam Tag und Nacht. Der göttliche Heiland hat diese Übung Seinen Aposteln und Jüngern ausdrücklich anbefohlen und ihnen versprochen, wo immer wenigstens zwei oder drei in Seinem Namen versammelt seien, da befinde Er sich mitten unter ihnen (Mt 18,20). Welches Glück, Jesus Christus in seiner Gesellschaft zu haben! Um Ihn zu besitzen, braucht man sich nur zum Rosenkranz zu versammeln.
Aus diesem Grunde versammelten sich die ersten Christen so oft zum gemeinsamen Gebete trotz der Verfolgungen der Kaiser, die ihnen die Zusammenkünfte verboten. Lieber wollten sie sich dem Tode aussetzen als die Versammlung unterlassen, weil sie die Gesellschaft Jesu Christi haben wollten.
Diese Art zu beten gereicht der Seele zu größerem Nutzen:
Als Ludwig der Gerechte (König Ludwig XIII. (1610 -1643)), glücklichen Angedenkens, einst La Rochelle belagerte, wo die aufrührerischen Häretiker sich verschanzt hatten, schrieb er an seine Mutter, die Königin, sie möge für das Glück seiner Waffen öffentliche Gebete verrichten lassen. Die Königin beschloß, den Rosenkranz öffentlich in der Dominikanerkirche der Vorstadt Saint Honoré von Paris beten zu lassen, was durch Vermittlung des Erzbischofs ausgeführt wurde. Man begann diese Andacht am 20. Mai 1628. Die Königin-Mutter und die regierende Königin nahmen daran teil, sowie der Herzog von Orléans, die Kardinäle de la Rochefaucauld und de Berulle, mehrere Prälaten, der ganze Hof und eine unzählbare Volksmenge. Der Erzbischof las mit lauter Stimme die Betrachtungen über die Geheimnisse des Rosenkranzes vor und begann hierauf das Vaterunser und Ave Maria eines jeden Zehners, während die Ordensleute und übrigen Anwesenden antworteten. Nach dem Rosenkranz trug man das Bild der Gottesmutter in Prozession unter dem Gesang der Lauretanischen Litanei umher. Man wiederholte diese Andacht jeden Samstag mit bewundernswertem Eifer und sichtlichem Segen des Himmels, denn der König triumphierte bei der Insel Ré über die häretischen Engländer und zog am Allerheiligenfeste desselben Jahres siegreich in La Rochelle ein. Hieraus kann man die Macht des öffentlichen Gebetes ersehen.
Die Soldaten vereinigen sich zu Armeekorps, um den Feind zu schlagen; die Schlechten versammeln sich oft, um ihren Lastern und Tänzen zu fröhnen; selbst die Teufel vereinigen sich, um uns zu verderben. Warum sollten sich also nicht auch die Christen versammeln, um in Gesellschaft Jesu Christi zu sein, um den Zorn Gottes zu besänftigen, Seine Gnade und Sein Erbarmen herabzuziehen und um die Teufel machtvoller zu besiegen und niederzuschmettem?
Liebe Mitglieder der Rosenkranzbruderschaft in der Stadt und auf dem Lande, wenn ihr in der Nähe der Pfarrkirche oder einer Kapelle wohnt, so begebet euch wenigstens jeden Abend dahin, um mit Erlaubnis des Vorstehers jener Kirche und im Verein mit allen, die daran teilnehmen wollen, den Rosenkranz in zwei Chören zu beten. Tut dasselbe in euerem Hause oder in einem anderen Privathause des Ortes, wenn ihr keine Kirche oder Kapelle in der Nähe habt.
Es ist dies ein heiliger Brauch, den Gott durch Seine Barmherzigkeit dort eingeführt hat, wo ich Missionen gehalten habe, um deren Frucht zu bewahren und zu vermehren und um die Sünde zu verhindern. Bevor der Rosenkranz in diesen Städten und Dörfern eingeführt war, sah man dort nichts als Tanz, Ausschweifung, Unsittlichkeit, Fluchen, Zank und Spaltung; man hörte dort nichts als unanständige Lieder und zweideutige Reden. Jetzt hört man nur noch das Lied der Lieder und die Psalmodie des Vaterunsers und Ave Maria; man sieht nur noch heilige Gesellschaften von zwanzig, dreißig, hundert und mehr Personen, die wie Ordensleute das Lob Gottes zu bestimmter Stunde singen. Es gibt selbst Orte, wo man jeden Tag den Rosenkranz zu drei verschiedenen Tageszeiten gemeinschaftlich betet. Welcher Segen des Himmels!
Da es überall Verworfene gibt, so zweifelt nicht daran, dass es auch an eurem Wohnorte einige schlechte Menschen geben wird, die nicht zum Rosenkranze kommen, die vielleicht sogar darüber spotten und alles in Bewegung setzen, durch boshafte Reden und durch ihr schlechtes Beispiel euch von dieser heiligen Übung abwendig zu machen. Haltet jedoch stand; da diese Unglückseligen in der Hölle auf ewig von Gott und Seinem Himmel getrennt sein sollen, so müssen sie sich schon hienieden im voraus von der Gesellschaft Jesu Christi und Seiner Diener und Dienerinnen ausscheiden.
SIEBENUNDVIERZIGSTE ROSE:
Man soll den Rosenkranz täglich mit Glauben, Demut und Vertrauen beten:
Trennet euch von den Bösen, auserwählte Seelen, und um euch aus der Mitte jener zu retten, die wegen ihrer Gottlosigkeit, Unandacht und Trägheit verlorengehen, verliert keine Zeit und betet oft den heiligen Rosenkranz mit Glauben, mit Demut, Vertrauen und Beharrlichkeit.
Wer ernstlich an das Gebot Jesu Christi denkt, dass man immer beharrlich beten soll, wie Er uns das Beispiel gegeben hat; wer bedenkt, wie sehr wir das Gebet notwendig haben wegen unserer Finsternis, Unwissenheit und Schwachheit und wegen der Menge unserer Feinde, der wird sich gewiß nicht damit zufriedengeben, den Psalter jährlich einmal zu beten, wie die Bruderschaft des ewigen Rosenkranzes verlangt, oder allwöchentlich, wie es Vorschrift ist in der gewöhnlichen Rosenkranzbruderschaft, sondern er wird ihn jeden Tag ohne Ausnahme beten, wie die Bruderschaft des täglichen Rosenkranzes vorschreibt, obschon er dazu keine andere Verpflichtung hat als die, sein Heil zu wirken.
Erstens. Oportet, man muss, es ist nötig, semper orare, immer beten, et non deficere, und nicht nachlassen, zu beten (vgl. Lk 18,1)!
Das sind ewig gültige Worte Jesu Christi, die man glauben und üben muss unter Strafe der Verdammnis. Erklärt sie, wie ihr wollt, wenn ihr sie nur nicht im Sinn und Geiste der Welt erklärt, um sie dann auch im Sinn und Geiste der Welt zu üben. Jesus Christus hat uns die wahre Erklärung im Beispiel gegeben, das Er uns hinterlassen: Exemplum dedi vobis, ut quemadmodum ego feci, ita et vos faciatis: „Ich habe euch ein Beispiel gegeben, damit auch ihr so tut, wie Ich getan habe." (Joh 13,15). Als ob Ihm der Tag nicht genügt hätte, verwandte Er auch noch die Nacht aufs Gebet: Erat pernoctans in oratione Dei: „Er verbrachte die ganze Nacht im Gebete zu Gott." (Lk 6, 12).
Seinen Aposteln wiederholte Er oft die zwei Worte: Vigilate et orate! Wachet und betet, damit ihr nicht in Versuchung fallet! Der Geist ist zwar willig, das Fleisch aber ist schwach (Mt 26,41), die Versuchung nahe und andauernd; wenn ihr nicht immer betet, werdet ihr unterliegen. Sie glaubten offenbar, was der göttliche Heiland ihnen sagte, sei nur ein Rat, sie legten Seine Worte falsch aus, und darum fielen sie in Versuchung und Sünde, obwohl sie in der persönlichen Gesellschaft Jesu Christi waren.
Lieber Mitbruder, wenn du nach der allgemein herrschenden Ansicht und Gewohnheit leben willst, nämlich von Zeit zu Zeit in die Todsünde fallen und dann wieder beichten gehen, die groben und auffallenden Sünden meiden und die „anständigen Sünden" behalten, dann brauchst du nicht so viele Gebete, so viele Rosenkränze; ein kleines Gebetlein morgens und abends, einige Rosenkränze, die du als Buße bekommen, einige Gesätzchen des Rosenkranzes (eilig und konzentrationslos), wenn dir gerade die Laune kommt, mehr braucht es nicht, um als „anständiger“ Mensch zu leben. Wenn du weniger tätest, würde man dich für einen Freidenker halten, würdest du aber mehr tun, so würde man dich der Sonderlichkeit und Frömmelei zeihen.
Willst du jedoch wie ein wahrer Christ, der in Wahrheit seine Seele retten und in den Fußstapfen der Heiligen wandeln will, in gar keine schwere Sünde fallen, alle Schlingen des Teufels zerreißen und alle seine giftigen Pfeile unwirksam machen, dann musst du immer beten, wie Jesus Christus gelehrt und befohlen hat. So musst du wenigstens jeden Tag deinen Rosenkranz oder einige gleichwertige Gebete verrichten. Ich sage wenigstens, denn das ist alles, was du mit dem täglichen Rosenkranz erreichen kannst, nämlich alle Todsünden vermeiden und alle Versuchungen überwinden inmitten der Ströme der Bosheit dieser Welt, die oft die Tugendhaftesten mitreißen, inmitten der dichten Finsternis, die oft die Erleuchtesten blendet, inmitten der bösen Geister, die erfahrener als je und wohl wissend, dass ihnen wenig Zeit bleibt (vgl. Offb 12,12), mit größerer Schlauheit und mehr Erfolg die Seelen versuchen.
O welches Gnadenwunder des heiligen Rosenkranzes, wenn du der Welt, dem Teufel, dem Fleisch und der Sünde entrinnst und in den Himmel kommst! Wenn du nicht meiner Behauptung glauben willst, so glaube doch deiner eigenen Erfahrung. Ich frage dich, ob du zu jener Zeit, da du nur wenige Gebete nach Art der Welt und nach der gewöhnlichen Weise übtest, dich vor schweren Fehlern hüten konntest und vor schweren Sünden, die dir nur infolge deiner Verblendung als leicht vorkamen?
Öffne also die Augen und bete immer, und um in Heiligkeit ohne Sünde, wenigstens ohne Todsünde, zu leben und zu sterben, bete ohne Unterlaß! Bete deinen Psalter täglich, wie es alle Mitglieder bei der Gründung der Rosenkranzbruderschaft taten.
Als die Allerseligste Jungfrau dem heiligen Dominikus den Rosenkranz übergab, befahl sie ihm, denselben täglich zu beten und beten zu lassen. Auch nahm der Heilige niemand in die Bruderschaft auf, der nicht den Entschluss gehabt hätte, ihn täglich ganz zu beten. Wenn man jetzt in der gewöhnlichen Rosenkranzbruderschaft nur noch einen Psalter in der Woche verlangt, so geschieht das nur, weil der Eifer vermindert und die Liebe erkaltet ist. Man sucht zu erreichen, was man von einem lässigen Beter erreichen kann. Ab initio non fuit sic: „Im Anfang war es nicht so." (Mt 19,18).
Drei Dinge sind noch zu beachten:
Beati qui stant coram te semper: „Glückselig, die immer vor Dir stehen." (3 Kg 10,8) Beati, qui habitant in domo tua, Domine, in saecula saeculorum laudabunt te: „Glückselig, die in Deinem Hause wohnen, allezeit loben sie Dich." (Ps 83,5) Glücklich, o Herr Jesus, die Mitglieder der Rosenkranzbruderschaft, die Dich täglich umgeben, sei es in Deinem kleinen Häuschen zu Nazareth, sei es am Kreuze auf Kalvaria, sei es auf Deinem Himmelsthrone, in Erwägung und Betrachtung Deiner freudenreichen, schmerzensreichen und glorreichen Geheimnisse! O wie glücklich sind sie auf Erden wegen der besonderen Gnaden, die Du ihnen mitteilst, und wie glückselig werden sie im Himmel sein, wo sie Dich auf besondere Weise loben werden von Ewigkeit zu Ewigkeit!
Zweitens muss man den Rosenkranz mit Glauben beten, nach den Worten Jesu Christi: Credite, quia accipietis, et fient vobis, alles, was ihr immer im Gebet erbittet, glaubet, dass ihr es erhalten werdet, so wird es euch werden! (Mk 11,24) Er wird zu dir sagen: Sicut credidisti, fiat tibi: wie du geglaubt hast, geschehe dir (Mt 8,13). Si quis indiget sapientiam, postulet a Deo; postulet autem in fide nihil haesitans: wenn es einem an Weisheit gebricht, so erbitte er sie von Gott im Glauben, ohne zu zweifeln (vgl. Jak 1,6), indem er seinen Rosenkranz betet, und sie wird ihm gegeben werden.
Drittens muss man mit Demut beten wie der Zöllner; er kniete mit beiden Knien auf dem Boden und nicht mit dem einen in der Luft oder auf der Bank wie die stolzen Weltleute; er befand sich ganz hinten im Tempel und nicht im Heiligtume wie der Pharisäer; er hatte die Augen zu Boden gesenkt und wagte nicht, gen Himmel zu blicken, er schaute nicht erhobenen Hauptes hin und her wie der Pharisäer. Er schlug an die Brust, bekannte sich als Sünder und bat um Verzeihung: Propitius esto mihi peccatori: sei mir armem Sünder gnädig! (vgl. Lk 18,13) Und nicht wie der Pharisäer, der sich mit seinen guten Werken brüstete und die andern in seinen Gebeten verachtete. Hüte dich vor dem stolzen Gebete des Pharisäers, das ihn verstockter und schlechter machte; ahme dafür die Demut des Zöllners in seinem Gebete nach, wodurch er die Verzeihung seiner Sünden erlangte.
Hüte dich vor dem Wunsche nach dem Außergewöhnlichen, nach außerordentlicher Erkenntnis, nach Gesichten, Offenbarungen und andern wunderbaren Gnaden, die Gott manchmal den Heiligen beim Rosenkranzgebet verliehen hat. Sola fides sufficit, jetzt, da das Evangelium und alle Andachten und Übungen der Frömmigkeit fest genug begründet sind, genügt der Glaube allein.
In Trockenheit, Widerwillen und innerer Verlassenheit unterlasse nie den geringsten Teil deines Rosenkranzes; das wäre ein Zeichen von Stolz und Untreue. Als wackerer Kämpfer Jesu und Mariä bete vielmehr ganz trocken, ohne etwas zu sehen, zu fühlen, noch zu kosten, dein Vaterunser und Ave Maria, indem du die Geheimnisse so gut als möglich betrachtest.
Wünsche dir nicht Zuckerwerk zu deinem täglichen Brot, wie die Kinder; verlängere vielmehr manchmal deinen Rosenkranz, wenn du viel Mühe hast, ihn zu beten, um dadurch Jesus Christus in Seiner Todesangst vollkommener nachzuahmen: Factus in agonia, prolixius orabat (Lk 22,43), auf dass man von dir sagen könne, was von Jesus Christus geschrieben steht, als Er in der Todesangst betete: da betete Er noch inständiger.
Viertens bete mit viel Vertrauen, das sich auf die unendliche Güte und Freigebigkeit Gottes und auf die Verheißungen Jesu Christi stützt. Gott ist eine Quelle des lebendigen Wassers, das unaufhörlich in das Herz der Betenden fließt.
Jesus Christus ist die Brust des Ewigen Vaters, ganz erfüllt von der Milch der Gnade und Wahrheit. Der Ewige Vater hat für uns Menschen kein sehnlicheres Verlangen, als uns die heilbringenden Wasser Seiner Gnade und Seines Erbarmens mitzuteilen, und Er ruft: Omnes sitientes venite ad aquas: „Kommet zum Wasser, ihr Durstigen alle!" (Is 55,1) Das bedeutet: „Kommet, trinket durch das Gebet von Meinen Wassern!“ Und wenn man Ihn nicht bittet, so beklagt Er sich, dass man Ihn verlässt: Me dereliquerunt fontem aquae vivae: „Mich, den Quell lebendigen Wassers, haben sie verlassen" (Jer 2,13).
Man bereitet Jesus Christus eine große Freude, wenn man Ihn um Seine Gnade bittet, ja eine größere Freude, als das Kind der Mutter bereitet, wenn es an ihrer vollen Mutterbrust trinkt. Das Gebet ist der Kanal der Gnade Gottes und die Brust Jesu Christi. Wenn man nicht, wie alle Kinder Gottes es tun sollen, durch das Gebet daraus trinkt, so beklagt Er sich ganz liebreich: Usquemodo non petistis quidquam! Petite et accipietis (Joh 16,24); quaerite et invenietis; pulsate et aperietur vobis (Mt 7,7). Bis jetzt habt Ihr Mich um nichts gebeten. O bittet Mich und Ich werde geben, suchet bei Mir und ihr werdet finden; klopfet an Meine Tür, und Ich werde euch öffnen! Um dir noch mehr Vertrauen zum Gebet einzuflößen, hat er Sein Wort darauf gegeben, dass der Ewige Vater uns alles gewähren werde, um was wir Ihn in Seinem Namen bitten werden (vgl. Joh 16,23).
ACHTUNDVIERZIGSTE ROSE:
Lasset uns in der Andacht des heiligen Rosenkranzes ausharren!
Zum Vertrauen fügen wir fünftens die Beharrlichkeit im Gebete hinzu. Nur wer ausharrt im Beten, im Suchen und Anklopfen, wird empfangen, finden und Einlaß erhalten. Es genügt nicht, während einem Monat, ein Jahr, ja zehn, zwanzig Jahre lang Gott um eine Gnade zu bitten, man darf es sich nicht verdrießen lassen, et non deficere (Lk 18,1), man muss bis zum Tode bitten und entschlossen sein, entweder die Gnade, die man zu seinem Heile erbittet, zu erlangen oder zu sterben, ja man muss selbst den Tod mit der Beharrlichkeit im Gebete und mit dem Vertrauen auf Gott verbinden und sagen: Etiam si occiderit me, in ipso sperabo! Selbst wenn Er mich tötet, werde ich auf Ihn hoffen (Job 13,15) und von Ihm erwarten, um was ich Ihn bitte!
Die Freigebigkeit der Großen und Reichen dieser Welt gewinnt an Großmut, wenn sie durch ihre Wohltaten den Dürftigen zuvorkommt, selbst ehe sie darum bitten. Gott im Gegenteil zeigt sich umso herrlicher, je länger Er die Gnaden, die Er verleihen will, suchen und erbitten läßt; und je kostbarer die zu verleihende Gnade ist, desto länger zögert Er, sie zu gewähren:
Sei also beharrlich, lieber Mitbruder, Gott durch den heiligen Rosenkranz um alle zeitlichen und geistlichen Gnaden zu bitten, deren du bedarfst, und insbesondere um die göttliche Weisheit, die ein unerschöpflicher Schatz für die Menschen ist: Infinitus enim thesaurus est hominibus (Weish 7,14), und du wirst sie früher oder später unfehlbar erhalten unter der Bedingung, dass du den Rosenkranz niemals aufgibst und nicht mitten auf dem Weg den Mut verlierst. Grandis enim tibi restat via: denn ein weiter Weg steht dir noch bevor (3 Kg 19,7), noch manches Ungewitter hast du zu überstehen, noch viele Schwierigkeiten zu überwinden, noch viele Feinde niederzuringen, bevor du genug Schätze für die Ewigkeit gesammelt, genug Vaterunser und Ave Maria gebetet hast, um den Himmel zu erkaufen und die schöne Krone zu gewinnen, die eines treuen Rosenkranzverehrers harrt.
Nemo accipiat coronam tuam: „Niemand soll dir deine Krone rauben!" (Offb 3,11) Gib acht, dass nicht ein anderer, der im täglichen Rosenkranzgebet treuer ist als du, sie dir wegnehme. Coronam tuam, sie gehört dir, Gott hat sie für dich bereitet, du hattest sie durch deine gut gebeteten Rosenkränze schon halb gewonnen, und weil du auf dem besten Wege stehengeblieben bist, auf dem du so gut vorwärts geschritten warst, currebatis bene (Gal 5,7), ist ein anderer, der dich überholte, vor dir angelangt, ein anderer, der eifriger und treuer war, hat durch seine Rosenkränze und guten Werke den Preis für diese Krone verdient und erlegt. Quis vos impedivit? Wer hat dich aufgehalten (Gal 5,7), die Krone des heiligen Rosenkranzes zu erlangen? Ach, die Feinde des Rosenkranzes, die so zahlreich sind! Glaube mir, nur die Starken reißen sie mit Gewalt an sich: Violenti rapiunt (Mt 11,12). Diese Kronen sind nicht für jene Furchtsamen, welche den Spott und die Drohungen der Welt fürchten; sie sind auch nicht für jene Trägen, die ihren Rosenkranz nur nachlässig beten oder hastig oder nur so obenhin oder von Zeit zu Zeit, je nach ihrer Laune. Diese Kronen sind nicht für jene Feiglinge, die das Herz verlieren und die Waffen strecken, wenn sie die ganze Hölle gegen ihren Rosenkranz entfesselt sehen.
Wenn du, lieber Mitbruder, es unternehmen willst, Jesu und Maria durch den täglichen Rosenkranz zu dienen, bereite deine Seele auf die Versuchung vor: Accedens ad servitutem Dei, praepara animam tuam ad tentationem: „Willst du dich dem Dienste Gottes ergeben, so mache dich auf Anfechtungen gefaßt." (Ekkli 2,1) Die Irrlehrer, die Freigeister, die sogenannten rechtschaffenen Weltmenschen, die Halbfrommen und falschen Propheten im Verein mit deiner verderbten Natur und der ganzen Hölle, werden dir schreckliche Kämpfe bereiten, um dich von dieser Andacht abwendig zu machen.
Um dich gegen die Angriffe nicht so sehr der Irrlehrer und erklärten Freigeister, als vielmehr der rechtschaffenen Leute im Sinne der Welt, und selbst der frommen Seelen, denen diese Übung nicht gefällt, zu wappnen, will ich dir einen Auszug ihrer Denkweise und Redensarten anführen:
Quid vult seminiverbius ille: „Was will dieser Schwätzer sagen?" (Apg 17,18) Venite, opprimamus eum, contrarius est enim: „Lasset uns diesen armen Gerechten unterdrücken,... denn er ist uns unnütz und steht unseren Werken entgegen." (vgl. Weish 2,10f) „Was leiert denn dieser Mensch immer Rosenkränze her? Welcher Müßiggang! Er tut nichts als Rosenkränze hersagen, er täte wohl besser daran, zu arbeiten, anstatt sich mit solchen Frömmeleien abzugeben! Ja freilich! Man muss nur den Rosenkranz beten, und es werden einem die gebratenen Tauben in den Mund fliegen! Der Rosenkranz gibt uns kein Brot! Das Sprichwort sagt: ‚Hilf dir selbst, so hilft dir Gott!‘ Warum aber sich mit so vielen Gebeten belasten? Brevis oratio penetrat coelos: Ein kurzes Gebet dringt durch die Wolken. Ein gut gebetetes Vaterunser und Gegrüßt seist Du... ist genug. Der liebe Gott hat uns den Rosenkranz recht befohlen; der ist gut, wenn man Zeit dazu hat, aber man kann auch ohne das selig werden. Wie viele Heilige haben ihn nie gebetet und sind doch heilig geworden!"
Und weiter: „Es gibt immer Leute, die verlangen, dass die ganze Welt sich nach ihnen richte. Es gibt Überspannte, die alles übertreiben, es gibt Skrupulanten, die dort Sünden sehen, wo keine sind; sie sagen, alle werden verdammt, welche nicht ihren Rosenkranz beten. Den Rosenkranz beten, das ist für die unwissenden alten Frauen, die nicht lesen können. Den Rosenkranz beten! Ist es nicht besser, das Offizium der Allerseligsten Jungfrau oder die sieben Bußpsalmen zu beten? Gibt es etwas Schöneres als diese Psalmen, die der Heilige Geist selber eingegeben hat? Du willst täglich einen ganzen Psalter beten? Strohfeuer ist das, das hält nicht lange an! Ist es nicht besser, weniger zu unternehmen und dafür treuer zu sein?"
Und ferner: „Ach was, glaube mir, mein Lieber, verrichte ein gutes Morgen- und Abendgebet und arbeite tagsüber für den lieben Gott, Gott verlangt nicht mehr von uns. Wenn du nicht deinen Lebensunterhalt verdienen müsstest, meinetwegen, dann könntest du dich verpflichten, deinen Psalter zu beten. Du kannst ihn an Sonn- und Feiertagen ganz nach Muße beten, nicht aber an den Werktagen, dann musst du arbeiten."
Und auch: „Was? Einen so großen Rosenkranz bei sich tragen? Oder den Rosenkranz gar am Gürtel tragen? Welche Scheinheiligkeit! Ich rate dir, ihn um den Hals zu hängen, wie es die Spanier machen. Das sind noch eifrige Rosenkranzbeter, die tragen einen großen Rosenkranz in der einen Hand, während sie in der andern einen Dolch haben, um damit den Verräterstich zu führen. Laß doch diese äußerlichen Andachten, die wahre Andacht ist im Herzen, usw. usw. …"
Manche sonst ganz tüchtige Männer und große Gelehrte, die jedoch in ihrem Stolze alles kritisieren, werden dir den Rosenkranz kaum anraten. Sie werden dich eher dazu veranlassen, die sieben Bußpsalmen oder einige andere Gebete zu verrichten. Wenn irgendein guter Beichtvater dir zur Buße einen Psalter gegeben hat, den du vierzehn Tage oder einen Monat lang beten sollst, dann brauchst du nur zu einem jener Herren zur Beicht zu gehen, und deine Buße wird in einige andere Gebete, Fasten, Messen oder Almosen umgewandelt werden.
Selbst wenn du solche fromme Personen in der Welt, die die Vortrefflichkeit des Rosenkranzes nicht aus eigener Erfahrung kennen, um Rat fragst, so wirst du finden, dass sie ihn nicht nur niemand anraten, sondern sie werden noch die andern davon abhalten, um sie zur Beschauung anzuhalten, als ob der Rosenkranz und die Beschauung unvereinbar wären, als ob so viele heilige Rosenkranzverehrer nicht in der höchsten Beschauung gelebt hätten.
Deine inneren Feinde werden dich umso grausamer angreifen, je mehr du mit ihnen verbunden bist. Ich meine die Fähigkeiten deiner Seele und die Sinne deines Körpers, die Zerstreuungen des Geistes, der Überdruß des Willens, die Trockenheit des Herzens, die Beschwerden und Krankheiten des Leibes. All dies im Verein mit den bösen Geistern, die sich einmischen, wird dir zurufen: „Laß ab von deinem Rosenkranz, er ist es, der dir Kopfweh verursacht; laß ab von deinem Rosenkranz, es ist ja keine Verpflichtung unter Sünde; bete wenigstens nur einen Teil davon, deine Leiden sind ein Anzeichen, dass Gott nicht will, dass du ihn betest, du kannst ihn morgen beten, wenn du besser dazu aufgelegt bist, usw. usw. …“
Der tägliche Rosenkranz hat endlich so viele Feinde, dass ich es als einen der ausgezeichnetsten Gnadenerweise Gottes betrachte, darin bis zum Tode auszuharren. Verharre darin, und du wirst die wunderbare Krone erlangen, die deiner Treue im Himmel bereitet ist: Esto fidelis usque ad mortem, et dabo tibi coronam: „Sei getreu bis in den Tod, und Ich werde dir die Krone geben." (Offb 2,10)
NEUNUNDVIERZIGSTE ROSE:
Bemerkungen über die Ablässe
Damit du beim Beten deines Rosenkranzes die den Mitgliedern der Rosenkranzbruderschaft gewährten Ablässe gewinnest, ist es angezeigt, einige Bemerkungen über die Ablässe beizufügen.
Der Ablaß im allgemeinen ist eine Nachlassung der zeitlichen Strafen für begangene Sünden durch Zuwendung der überfließenden Genugtuungen Jesu Christi, Seiner heiligsten Mutter und aller Heiligen, welche Genugtuungen im Kirchenschatz enthalten sind.
Der vollkommene Ablaß ist eine Nachlassung aller Sündenstrafen; der unvollkommene, z. B. von 100 Tagen, ist die Nachlassung so vieler Strafen, als man in 100 Tagen getilgt hätte, wenn man eine Buße von entsprechender Dauer nach den alten kirchlichen Satzungen erhalten hätte. Nun schrieben aber diese Satzungen für eine einzige Todsünde sieben und manchmal zehn und fünfzehn Jahre Buße vor, sodass eine Person, die zwanzig Todsünden begangen hatte, wenigstens zwanzigmal sieben Jahre Buße hätte leisten müssen, und so weiter.
Damit die Mitglieder der Bruderschaft die Ablässe gewinnen, müssen sie:
Vernachlässige diese Ablässe nicht!
Flamin und viele andere Schriftsteller berichten, eine Dame aus vornehmer Familie, namens Alexandra, die wunderbar bekehrt und vom heiligen Dominikus in die Rosenkranzbruderschaft aufgenommen worden war, sei ihm nach ihrem Tode erschienen und habe zu ihm gesagt, sie sei zu siebenhundert Jahren Fegfeuer verurteilt worden wegen mehrerer Sünden, die sie durch ihre weltlichen Eitelkeiten begangen habe, und sie bat ihn, er möge ihr helfen und durch die Gebete der Mitglieder der Rosenkranzbruderschaft Hilfe zukommen lassen, was er auch tat. Vierzehn Tage darauf erschien sie dem heiligen Dominikus leuchtender als eine Sonne, denn so rasch war sie durch die Gebete erlöst worden, welche die Mitglieder der Bruderschaft für sie verrichtet hatten. Sie sagte ihm ferner, die Armen Seelen im Fegfeuer lassen ihn bitten, mit der Predigt des heiligen Rosenkranzes fortzufahren und Sorge zu tragen, dass ihre Verwandten sie an ihrem Rosenkranz teilnehmen lassen, wofür sie dieselben überreichlich belohnen würden, wenn sie einmal in die Glorie eingegangen wären.
FÜNFZIGSTE ROSE:
Art und Weise den heiligen Rosenkranz zu beten
Um die Übung des heiligen Rosenkranzes zu erleichtern, gebe ich nachstehend mehrere Methoden an, um ihn auf heilige Weise zu beten unter Betrachtung der freudenreichen, schmerzhaften und glorreichen Geheimnisse Jesu und Mariä. Du wirst dich derjenigen bedienen, welche dir am meisten zusagt, kannst dir aber auch eine andere bilden, wie ja besonders manche Heilige es getan haben.
Arten und Weisen, den heiligen Rosenkranz zu beten und die Gnaden der Geheimnisse des Lebens, Leidens und der Glorie Jesu und Mariä auf sich herabzuziehen
GOLDENER ROSENKRANZ
Betrachtungen nach dem heiligen Ludwig Maria Grignion von Montfort
Sprich zunächst das „Komm Heiliger Geist“ und dann mache deine AUFOPFERUNG DES ROSENKRANZES:
Ich vereinige mich mit allen Heiligen im Himmel, mit allen Gerechten auf Erden, ich vereinige mich mit Dir, o mein Jesus, um Deine heilige Mutter und Dich in ihr und durch sie würdig zu loben. Ich widersage allen Zerstreuungen, die mir während dieses Rosenkranzes kommen könnten.
Wir opfern Dir auf, o Allerseligste Jungfrau, dieses Credo, um Deinen Glauben auf Erden zu verehren und Dich zu bitten, uns Anteil an demselben Glauben haben zu lassen:
Ich glaube an Gott...
Wir opfern Dir auf, o Herr, dieses Vaterunser, um Dich in Deiner Einheit anzubeten und Dir als dem Anfang und dem Ende aller Dinge unsere Anerkennung zu zollen:
Vater unser...
Wir opfern Dir auf, o Heiligste Dreifaltigkeit, diese drei Ave Maria, um Dir für alle Gnaden zu danken, die Du in Maria gewirkt und für all die Gnaden, die Du uns durch ihre Fürbitte geschenkt hast:
3 Gegrüßt seist Du, Maria...
Nach dem Wort „Jesus" innerhalb des Ave Maria füge man ein:
Schluss: Ehre sei dem Vater...
Anmerkung: Diese Methode weicht geringfügig von dem ab, was später üblich wurde. Der heilige Ludwig Maria änderte sie bereits geringfügig zu seinen Lebzeiten, aber diese originale Methode ist hier gegeben, da sie in seinem ursprünglichen Manuskript so zu finden ist.
Wie man die einzelnen Geheimnisse aufopfert
Die 5 freudenreichen Geheimnisse
DIE VERKÜNDIGUNG DER MENSCHWERDUNG JESU CHRISTI AN DIE UNBEFLECKTE JUNGFRAU MARIA
Frucht des Geheimnisses: DEMUT
Wir opfern Dir auf, o Herr Jesus Christus, dieses erste Gesätzchen zu Ehren Deiner Menschwerdung, und bitten Dich durch dieses Geheimnis und die Fürsprache Deiner heiligsten Mutter um eine tiefe Demut des Herzens.
1 Vaterunser, 10 Ave Maria, Ehre sei.
Betrachtung:
Die Gnaden des Geheimnisses der Menschwerdung Jesu Christi mögen in meine Seele herabsteigen und sie wahrhaft demütig machen.
MARIÄ HEIMSUCHUNG, IHR BESUCH BEI ELISABETH
Frucht des Geheimnisses: NÄCHSTENLIEBE
Wir opfern Dir auf, Herr Jesus Christus, dieses zweite Gesätzchen zu Ehren Deiner Mutter bei ihrer Base Elisabeth, und bitten Dich durch dieses Geheimnis und die Fürsprache Mariens um die vollkommene Liebe zu unseren Nächsten.
1 Vaterunser, 10 Ave Maria, Ehre sei.
Betrachtung:
Die Gnaden des Geheimnisses der Heimsuchung Mariä mögen in meine Seele herniedersteigen und sie wahrhaft liebenswürdig machen.
DIE GEBURT JESU IM STALLE ZU BETHLEHEM AUS DER ALLERSELIGSTEN JUNGFRAU MARIA
Frucht des Geheimnisses: LOSSCHÄLUNG VON DEN GÜTERN DER WELT, LIEBE ZUR ARMUT UND ZU DEN ARMEN
Wir opfern Dir auf, o göttliches Kind Jesus, dieses dritte Gesätzchen zu Ehren Deiner heiligen Geburt, und bitten Dich durch dieses Geheimnis und die Fürsprache Deiner heiligsten Mutter um die Losschälung von den Gütern der Welt, um die Liebe zur Armut und zu den Armen.
1 Vaterunser, 10 Ave Maria, Ehre sei.
Betrachtung:
Die Gnaden des Geheimnisses der Geburt Jesu Christi mögen in meine Seele herniedersteigen und sie wahrhaft arm im Geiste machen.
DIE AUFOPFERUNG JESU IM TEMPEL UND DIE REINIGUNG MARIENS
Frucht des Geheimnisses: REINHEIT DES LEIBES UND DER SEELE
Wir opfern Dir auf, Herr Jesus, dieses vierte Gesätzchen zu Ehren Deiner Darstellung im Tempel durch die Hände Mariens, und zu Ehren ihrer Darstellung im Tempel, und bitten Dich durch dieses Geheimnis und die Fürsprache Deiner heiligsten Mutter um die Gabe der Weisheit und der Reinheit des Herzens und des Leibes.
1 Vaterunser, 10 Ave Maria, Ehre sei.
Betrachtung:
Die Gnaden des Geheimnisses der Darstellung Jesu im Tempel und der Reinigung Mariens mögen in meine Seele herniedersteigen und sie wahrhaft weise und wahrhaft rein machen.
DAS WIEDERFINDEN JESU IM TEMPEL
Frucht des Geheimnisses: WAHRE BEKEHRUNG
Wir opfern Dir auf, Herr Jesus, dieses fünfte Gesätzchen zu Ehren Deiner Wiederauffindung durch Maria inmitten der Gelehrten, nachdem sie Dich drei Tage verloren hatte, und bitten Dich durch dieses Geheimnis und die Fürsprache Deiner heiligsten Mutter um unsere Bekehrung und unsere wahre Besserung, und auch um die Bekehrung aller Sünder, Häretiker, Schismatiker, Juden und Heiden.
1 Vaterunser, 10 Ave Maria, Ehre sei.
Betrachtung:
Die Gnaden des Geheimnisses der Auffindung Jesu im Tempel mögen in meine Seele herniedersteigen und sie wahrhaft bekehren.
Die 5 schmerzensreichen Geheimnisse
DIE TODESANGST JESU IM ÖLGARTEN
Frucht des Geheimnisses: WAHRE REUE
Wir opfern Dir auf, Herr Jesus, dieses sechste Gesätzchen zu Ehren Deiner Todesangst am Ölberg, und bitten Dich durch dieses Geheimnis und die Fürsprache Deiner heiligsten Mutter um eine wahre Reue über unsere Sünden und um vollkommene Gleichförmigkeit mit Deinem heiligen Willen.
1 Vaterunser, 10 Ave Maria, Ehre sei.
Betrachtung:
Die Gnaden des Geheimnisses der Todesangst Jesu mögen in meine Seele herniedersteigen und sie wahrhaft zerknirscht und dem Willen Gottes wahrhaft gleichförmig machen.
DIE GEISSELUNG JESU
Frucht des Geheimnisses: ABTÖTUNG DER SINNE
Wir opfern Dir auf, Herr Jesus, dieses siebte Gesätzchen zu Ehren Deiner blutigen Geißelung, und bitten Dich durch dieses Geheimnis und die Fürsprache Deiner heiligsten Mutter um vollkommene Abtötung unserer fünf Sinne.
1 Vaterunser, 10 Ave Maria, Ehre sei.
Betrachtung:
Die Gnaden des Geheimnisses der Geißelung Jesu mögen in meine Seele herniedersteigen und ihr wahre Abtötung verleihen.
DIE DORNENKRÖNUNG JESU
Frucht des Geheimnisses: TIEFE VERACHTUNG DER WELT
Wir opfern Dir auf, Herr Jesus, dieses achte Gesätzchen zu Ehren Deiner grausamen Dornenkrönung, und bitten Dich durch dieses Geheimnis und die Fürsprache Deiner heiligsten Mutter um eine tiefe Verachtung der Welt.
1 Vaterunser, 10 Ave Maria, Ehre sei.
Betrachtung:
Die Gnaden des Geheimnisses der Dornenkrönung Jesu mögen in meine Seele herniedersteigen und ihr die wahre Weltverachtung verleihen.
DIE KREUZTRAGUNG JESU
Frucht des Geheimnisses: GEDULD IM LEIDEN
Wir opfern Dir auf, Herr Jesus, dieses neunte Gesätzchen zu Ehren Deiner Kreuztragung, und bitten Dich durch dieses Geheimnis und die Fürsprache Deiner heiligsten Mutter um große Geduld, Dir unser Kreuz nachzutragen alle Tage unseres Lebens.
1 Vaterunser, 10 Ave Maria, Ehre sei.
Betrachtung:
Die Gnaden des Geheimnisses Jesu Kreuztragung mögen in meine Seele herniedersteigen und ihr jeden Tag die wahre Geduld in unseren Leiden in den Fußstapfen Jesu verleihen.
DIE KREUZIGUNG JESU
Frucht des Geheimnisses: GLÜCKLICHE STERBESTUNDE
Wir opfern Dir auf, Herr Jesus, dieses zehnte Gesätzchen zu Ehren Deiner Kreuzigung auf dem Kalvarienberg, und bitten Dich durch dieses Geheimnis und die Fürsprache Deiner heiligsten Mutter um eine große Abscheu vor der Sünde, um Liebe zum Kreuz und um einen guten Tod für uns und alle jetzt Sterbenden.
1 Vaterunser, 10 Ave Maria, Ehre sei.
Betrachtung:
XII. Station: Jesus stirbt.
Die Gnaden des Geheimnisses des Leidens und Sterbens Jesu Christi mögen in meine Seele herniedersteigen und sie wahrhaft heiligen.
Die 5 glorreichen Geheimnisse
DIE AUFERSTEHUNG JESU
Frucht des Geheimnisses: WAHRER, LEBENDIGER GLAUBE
Wir opfern Dir auf, Herr Jesus, dieses elfte Gesätzchen zu Ehren Deiner glorreichen Auferstehung, und bitten Dich durch dieses Geheimnis und die Fürsprache Deiner heiligsten Mutter um einen lebendigen Glauben.
1 Vaterunser, 10 Ave Maria, Ehre sei.
Betrachtung:
Die Gnaden des Geheimnisses der Auferstehung unseres Herrn und Heilandes mögen in meine Seele herniedersteigen und sie wahrhaft gläubig und liebeglühend machen.
CHRISTI HIMMELFAHRT
Frucht des Geheimnisses: BRENNENDE SEHNSUCHT NACH DEM HIMMEL
Wir opfern Dir auf, Herr Jesus, dieses zwölfte Gesätzchen zu Ehren Deiner glorreichen Himmelfahrt, und bitten Dich durch dieses Geheimnis und die Fürsprache Deiner heiligsten Mutter um eine feste Hoffnung und ein brennendes Verlangen nach dem Himmel.
1 Vaterunser, 10 Ave Maria, Ehre sei.
Betrachtung:
Die Gnaden des Geheimnisses der Himmelfahrt Jesu Christi mögen in meine Seele herniedersteigen und sie für den Himmel bereiten.
DIE HERABKUNFT DES HEILIGEN GEISTES AN PFINGSTEN
Frucht des Geheimnisses: HEILIGE WEISHEIT, APOSTOLISCHER EIFER
Wir opfern Dir auf, Heiliger Geist, dieses dreizehnte Gesätzchen zu Ehren Deines heiligen Pfingstgeheimnisses, und bitten Dich durch dieses Geheimnis und die Fürsprache Mariens, Deiner getreuen Braut, um die göttliche Weisheit, damit wir die Wahrheit erkennen, wahrhaft lieben und üben, und alles uns Mögliche tun, um anderen Menschen Anteil daran zu erlangen.
1 Vaterunser, 10 Ave Maria, Ehre sei.
Betrachtung:
Die Gnaden des Pfingstgeheimnisses mögen in meine Seele herniedersteigen und sie wahrhaft weise in den Augen des Allmächtigen Gottes machen.
MARIÄ HIMMELFAHRT MIT LEIB UND SEELE
Frucht des Geheimnisses: LIEBE ZU MARIA
Wir opfern Dir auf, Herr Jesus, dieses vierzehnte Gesätzchen zu Ehren der Unbefleckten Empfängnis und der Aufnahme des Leibes und der Seele Deiner heiligsten Mutter in den Himmel, und bitten Dich durch diese beiden Geheimnisse und die Fürsprache Mariens um die wahre Andacht zu ihr, auf dass wir gut leben und selig sterben.
1 Vaterunser, 10 Ave Maria, Ehre sei.
Betrachtung:
Die Gnaden der Unbefleckten Empfängnis und der Himmelfahrt Mariens mögen in meine Seele herniedersteigen und ihr die vollkommene Hingabe an Maria verleihen.
DIE KRÖNUNG MARIENS ALS KÖNIGIN DES HIMMELS
Frucht des Geheimnisses: BEHARRLICHKEIT IN DER GNADE, VERMEHRUNG DER TUGENDEN, KRÖNUNG IN DER GLORIE
Wir opfern Dir auf, Herr Jesus, dieses fünfzehnte Gesätzchen zu Ehren der glorreichen Krönung Deiner heiligsten Mutter im Himmel, und bitten Dich durch dieses Geheimnis und ihre Fürsprache um die Beharrlichkeit und den Fortschritt in der Tugend bis zum Tode und die tatsächliche Erlangung der Krone in der Ewigkeit, die uns bereitet ist.
Die gleiche Gnade erflehen wir für alle Gerechten, für alle unsere Wohltäter und für alle, die sich unserem Gebet empfohlen haben oder für die wir zu beten schuldig sind.
1 Vaterunser, 10 Ave Maria, Ehre sei.
Betrachtung:
Wir bitten Dich, Herr Jesus, durch die 15 Geheimnisse Deines Lebens, Leidens und Sterbens, durch Deine Herrlichkeit und die Verdienste Deiner heiligsten Mutter, Du wollest die Sünder bekehren, den Sterbenden beistehen, die Seelen im Fegfeuer befreien und uns allen die Gnade verleihen, heilig zu leben, gut zu sterben und endlich im Himmel Dich von Angesicht zu Angesicht schauen zu dürfen und Dich in Ewigkeit zu lieben. Amen. So sei es.
eine kürzere Art und Weise,
um im Rosenkranzgebet das Leben, den Tod und die Glorie Jesu und Mariä zu ehren und die Zerstreuungen der Einbildungskraft zu vermindern.
Zu diesem Zwecke kann man in jedem Ave Maria der einzelnen Gesätze ein Wort einschalten, das uns das Geheimnis in Erinnerung ruft, welches man eben betrachtet; und zwar fügt man dies nach dem Namen „Jesus“ in der Mitte des Ave Maria ein.
... Und gebenedeit ist die Frucht Deines Leibes, Jesus...
Freudenreiche Geheimnisse:
Schmerzhafte Geheimnisse:
Glorreiche Geheimnisse:
Am Ende der freudenreichen Geheimnisse kann man hinzufügen:
„Gnaden der freudenreichen Geheimnisse des heiligen Rosenkranzes, kommet in meine Seele und helft ihr auf dem Weg zur Heiligkeit.“
Am Ende der schmerzensreichen Geheimnisse kann man hinzufügen:
„Gnaden der schmerzensreichen Geheimnisse des heiligen Rosenkranzes, kommet in meine Seele und helft ihr geduldig ihr Kreuz mit Jesus zu tragen.“
Am Ende der glorreichen Geheimnisse kann man hinzufügen:
„Gnaden der glorreichen Geheimnisse des heiligen Rosenkranzes, kommet in meine Seele und macht sie ewig glücklich.“
in lateinischer Sprache:
CREDO in Deum, Patrem omnipotentem, Creatorem coeli et terrae, et in Jesum Christum, Filium ejus unicum, Dominum nostrum, qui conceptus est de Spiritu Sancto, natus ex Maria Virgine, passus sub Pontio Pilato, crucifixus, mortuus et sepultus, descendit ad inferos, tertia die resurrexit a mortuis, ascendit ad caelos, sedet ad dexteram Dei Patris omnipotentis, inde venturus est, judicare vivos et mortuos.
Credo in Spiritum Sanctum, sanctam Ecclesiam catholicam, Sanctorum communionem, remissionem peccatorum, carnis resurrectionem, vitam aeternam. Amen.
PATER NOSTER, qui es in caelis, sanctificetur nomen tuum, adveniat regnum tuum, fiat voluntas tua, sicut in caelo et in terra; panen nostrum quotidianum da nobis hodie et dimitte nobis debita nostra sicut et nos dimittimus debitoribus nostris; et ne nos inducas in tentationem, sed libera nos a malo. Amen.
AVE MARIA, gratia plena, Dominus tecum, benedicta tu in mulieribus et benedictus fructus ventris tui Jesus; Sancta Maria, Mater Dei, ora pro nobis peccatoribus, nunc et in hora mortis nostrae. Amen.
GLORIA Patri et Filio et Spiritui Sancto,
Sicut erat in principio et nunc et semper et in saecula saeculorum. Amen.
Anhang
Kraft, Würde und Heiligkeit des Rosenkranzes
Eine Offenbarung der Allerseligsten Jungfrau Maria an den seligen Alanus de Rupe
„Durch den Rosenkranz wurden große Sünder beiderlei Geschlechtes in kurzer Zeit zu einem heiligen Leben bekehrt; mit vielen Seufzern und aufrichtigen Tränen der Reue wurden die Sünden beweint. Unglaubliche Bußwerke wurden in Kraft dieses Psalters sogar von Knaben und Mädchen verrichtet; durch ihn blühte der Andachtseifer zu mir und zu meinem Sohne so sehr, dass man hätte meinen können, es lebten Engel auf Erden. Auch der Glaube wurde so sehr gestärkt, dass sehr viele sehnlichst verlangten, für denselben blutig zu sterben und gegen die Häretiker zu kämpfen. So wurden durch die Predigten meines geliebtesten Diener Dominikus und durch die Kraft des Rosenkranzes die Länder der Häretiker der Kirche unterworfen. Durch die Kraft dieses Rosenkranzes geschahen viele großzügige Almosen, wurden Kirchen gegründet und Spitäler gebaut. Man führte man ein keusches und tugendhaftes Leben, und viele Wunderwerke zur Ehre Gottes wurden vollbracht. Höchste Heiligkeit und Weltverachtung standen in hoher Blüte. Der Kleriker waren vorbildlich, Fürsten übten die Gerechtigkeit, die Menschen lebten in Frieden miteinander und Gerechtigkeit und Unparteilichkeit herrschten in den Gilden und Daheim.
Sogar die Handwerker gingen nicht an ihre Arbeit, bevor sie mich durch meinen Psalter gegrüßt, und gingen nie zur Ruhe, bevor sie mir kniend in Andacht ihre Gebete vortrugen. Wenn es mal vorkam, dass sie sich schon zur Ruhe gelegt hatten und sich zufällig erinnerten, dass sie meinen Rosenkranz noch nicht gebetet, erhoben sie sich sofort wieder und von Reue getrieben, grüßten sie mich umso andächtiger.
So groß und verbreitet war der gute Ruf des Rosenkranzes, dass man von allen, die überhaupt fromm lebten, sogleich vermutete, sie seien Mitglieder meiner Rosenkranzbruderschaft. War aber irgendwo ein öffentlicher Sünder oder Gotteslästerer, so ging von ihm das Wort:
Auch will ich nicht verschweigen, wie große Zeichen und Wunder ich durch den Rosenkranz in den verschiedenen Weltgegenden getan habe: Seuchen habe ich durch ihn aufgehalten, schreckliche Kriege beigelegt, blutige Verbrechen verhindert, und durch meinen Rosenkranz sind die Leute mutig den Versuchungen geflohen.
Die Engel des Himmels erfreuen sich an euren Rosenkränzen, die ganze Dreifaltigkeit findet daran ihr Wohlgefallen, mein Sohn empfindet an meinem Lobe hohe Freude, und ich finde darin eine Wonne, die jede Vorstellung übersteigt. Der Rosenkranz ist mir nach der heiligen Messe das Angenehmste von allem, was in der Kirche geschieht."
„Durch die Ermahnungen des heiligen Dominikus dienten mir und meinem Sohne alle Brüder und Schwestern seines Ordens unaufhörlich mit auf unaussprechlich schöne Weise durch ihr Beten des Rosenkranzes.
Jedes Ordensmitglied verrichtete täglich wenigstens einen ganzen Rosenkranz; und wenn einer diesen an irgendeinem Tage unterließ, hielt er den ganzen Tag für verdorben.
So groß war die Andacht zum Rosenkranz, dass die Brüder des heiligen Dominikus all ihre Werke besser verrichteten und dass sie sich schneller in der Kirche oder zum Chorgebet einfanden als im Schlafgemach oder beim Studium. So sehr verbreitete sich der Ruf des Psalters im Predigerorden, dass man zu einem Mitbruder, der irgendwie durch Nachlässigkeit fehlte, sagte:
So sprach die Allerseligste Jungfrau Maria in einer Erscheinung zum seligen Alanus.
Kraft und Würde des Ave Maria
„Die heiligen Engel bringen im Himmel der Allerseligsten Jungfrau Maria dieses heilbringende Gebet, d.h. das Ave Maria dar -- nicht mit dem Munde, sondern in ihrer engelhaften Intelligenz. Sie sind sich nämlich vollkommen bewusst, dass dadurch der Sündenfall der Engel wiedergutgemacht, Gott Mensch geworden und die Welt erneuert worden ist." (Seliger Alanus)
Dasselbe bestätigt die Vision der heiligen Gertrud, wo man folgendes liest:
Einmal sprach Maria zur heiligen Mechtildis: „Dieser Gruß wurde nie von einem Menschen übertroffen, noch wird mich jemand auf süßere Weise grüßen können als der, welcher mich mit jener Ehrfurcht grüßt, mit der Gott Vater mich durch dieses Wort gegrüßt hat."
Folgendes sind die Gründe, auf welche gestützt die Kirche den Predigten und öffentlichen Vorträgen den Engelsgruß vorausschickt:
Die streitende Kirche ahmt, soweit sie kann, das Leben der Engel nach. Bevor der Engel Maria die frohe Botschaft brachte und ihr sagte: „Siehe, Du wirst empfangen und einen Sohn gebären", grüßte er sie ehrfurchtsvoll: „Gegrüßt seist Du, voll der Gnade.“ Es ziemt sich also, dass die Kirche das Beispiel des Engels nachahmt und den Engelsgruß mit der Anrufung Mariä vorausschickt, ehe sie die frohe Botschaft, das Evangelium, verkündet.
Die Prediger vertreten die Stelle des Engels; damit aber die Zuhörer Christum durch den Glauben empfangen können, müssen sie von der jungfräulichen Mutter Maria, die Ihn geboren, diese Gnade erlangen und so gleichsam Mutter des Wortes Gottes werden, denn ohne Maria kann Jesus Christus nicht in ihnen geboren werden.
Wie wirksam der Gruß des Engels war, geht aus dem Evangelium hervor.
Nachdem der heilige Vater Dominikus in den Himmel eingegangen und die von ihm eingeführte Rosenkranzandacht in argen Verfall geraten und beinahe gänzlich ausgestorben war, begann eine schreckliche Pest verschiedene Gegenden zu verwüsten. Die ratlosen Menschen nahmen ihre Zuflucht zu einem heiligen Einsiedler, der in der Einöde ein sehr strenges Leben führte, und drangen ihn, dass er sie im Gebete Gott empfehlen möge. Der fromme Mann flehte inbrünstig die Gottesmutter an, dass sie als Fürsprecherin der Sünder ihnen gnädigst zu Hilfe komme. Maria erschien ihm und sprach: „Sie haben mein Lob verlassen, und darum kam dieses Übel über sie. Sie sollen ihre frühere Andacht wieder aufnehmen und werden dann meinen Schutz erfahren. Ich werde die Pest von ihnen nehmen. Wenn sie mich mit dem Rosenkranze grüßen und in dieser Andacht verharren, werde ich für ihr Heil sorgen, denn an dieser Gebetsweise finde ich sehr großes Wohlgefallen." Die Leute kamen diesem Befehle nach und verfertigten sich Rosenkränze aus Zweiglein und Waldfrüchten und begannen mit großem Eifer, diese Gebetsweise zu üben.
Lebensbeschreibung des heiligen Ludwig Maria Grignion von Montfort
Am 31. Januar 1673 als Sohn angesehener Eltern zu Montfort in der Bretagne geboren, erhielt Grignion bei der Taufe den Namen Ludwig, dem er bei seiner Firmung aus inniger Liebe zur Mutter Gottes den Namen Maria beifügte. In größter Dankbarkeit gedachte er stets der Gnaden, die er durch die Taufe erhalten hatte, aber auch seiner Taufgelübde, und nannte sich zum Andenken daran, dass er sie in seinem Heimatsorte empfangen hatte, von Montfort. Als 12-jähriger Knabe kam er an die Jesuitenschule zu Rennes, die er acht Jahre lang besuchte. Als Vorbild für jeden Studenten zeichnete er sich durch seine Leistungen und noch mehr durch seine Tugenden aus, sodass er von Lehrern und Mitschülern in gleicher Weise bewundert und geliebt wurde. Von 1693 - 1700 studierte er an der Sorbonne zu Paris Theologie und wurde nach zwei Jahren in das berühmte Seminar St. Sulpice aufgenommen. In seiner Liebe zur Armut und Sanftmut, in der Hingabe an die göttliche Vorsehung kam er den größten Heiligen gleich. Mit ganz besonderer Freude redete er von den Herrlichkeiten Mariens, die er schon von Kindheit an seine „geliebte Mutter" nannte. Alle Bücher, die über die Verehrung Mariens handeln, hatte er gelesen und studiert. Aus Liebe zur Gottesmutter legte er schon vor dem Empfang der heiligen Weihen das Gelübde ewiger Keuschheit ab.
So vorbereitet empfing er im Alter von 27 Jahren am 5. Juni 1700 die Priesterweihe. Am liebsten wäre er zur Bekehrung der Heiden alsbald in die Missionen gegangen. „Meine Sünden sind es", sprach er seufzend, „die mich einer solchen Gnade unwürdig machen. Ich werde nie zufriedener sterben, als wenn ich meine Seele am Fuße irgendeines Baumes in fremdem Lande aushauche, wie der heilige Franziskus Xaverius in Japan." Die Oberen des Seminars St. Sulpice wollten indes Ludwig Maria nicht gehen lassen. Am liebsten hätten sie ihn für ihre Genossenschaft gewonnen. Da er sich dazu nicht entschließen konnte, schickten sie ihn nach Nantes in die Genossenschaft der Klementiner, die sich aber dem Jansenismus ergeben hatte. Infolgedessen verließ Grignion nach einem halben Jahre dieses Haus und bot sich dem Bischof von Poitiers als Missionar an, der ihm indes die Leitung des großen Spitals von Poitiers übertrug. Mit größter Liebe nahm er sich der Armen und Kranken an und legte hier den Grund zur Kongregation der „Töchter der Weisheit". Die zwölf ersten Mitglieder der Gesellschaft waren arme, gebrechliche Insassen des Spitals, die er einer blinden Oberin unterstellte. In ihrem Versammlungssaal errichtete er ein großes Kreuz, um sie immer daran zu erinnern, dass die wahre Weisheit in der Torheit des Kreuzes bestehe. Von Neid und Eifersucht der weltlichen Leiterinnen und Wärterinnen verfolgt, musste er schließlich das Spital verlassen und begab sich nach Paris, wo er im großen Spital der Salpétrière Aufnahme fand, das über 4000 Kranke und Arme beherbergte. Nach einem Jahr tiefer Verdemütigungen rief ihn der Bischof von Poitiers auf Drängen der armen Kranken in das dortige Spital zurück, wo er die bestehenden Mißstände zu beseitigen suchte und auch seine „Gesellschaft der Töchter der Weisheit" zu neuem Leben erweckte. Wiederum zwangen ihn heftige Anfeindungen, das Spital zu verlassen. Von da an durfte er sich bis zu seinem Tode dem so lang ersehnten und erkämpften Beruf als Missionar widmen. Im Februar 1706 wanderte er zu Fuß nach Rom mit dem Wunsche, sich vom Papst mit größeren Vollmachten ausstatten zu lassen, um desto mehr zur Ehre Gottes und zum Heile der Seelen wirken zu können. Papst Klemens XI. empfing ihn am 6. Juni in Privataudienz, billigte sein Werk „Die Wahre Andacht zu Maria" und seine Grundsätze für die Missionstätigkeit und ernannte ihn zum apostolischen Missionar. Dann kehrte der Heilige zu Fuß nach Poitiers zurück, das er aber auf Befehl des ihm sonst gutgesinnten Bischofs wegen der Anfeindungen der Jansenisten bald wieder verlassen musste. Er zog daher in die benachbarten Diözesen Westfrankreichs, wo er mit wahrhaft apostolischem Eifer wirkte. Sein ganzes Sehnen war, allen alles zu werden, nur um Seelen zu gewinnen.
Kein Wunder war es, dass Ludwig Maria von allen Seiten angegriffen wurde. Priester, Ordensleute, die höhere Geistlichkeit, ja oft seine eigenen Oberen machten ihm Schwierigkeiten, feindeten ihn an und maßregelten ihn. Und gar erst die Welt! Seine großen Erfolge entfesselten gegen ihn einen wahren Sturm der Hölle. Aber auch diese sonst so leicht entmutigenden Erfahrungen konnten ihn nicht stören. Starkmütig trug er sein Kreuz und überwand alle seine Leiden mit apostolischer Geduld und Sanftmut, ohne die öffentliche Meinung zu scheuen, immer bereit, sein Werk fortzusetzen, immer gehorsam auf das geringste Zeichen jener, die ihm zu befehlen hatten. Überall, wo er für die Erneuerung des religiösen Lebens arbeitete, wurde er, wie Papst Pius XII. ausführte, „zu einem Zeichen, dem widersprochen wird" (Lk 2,34). Er wurde ausgewiesen, er durfte mitunter nicht einmal die heilige Messe lesen, ja in La Rochelle verabreichte man ihm eine vergiftete Speise; seine Gesundheit war von da an schwer mitgenommen. Wenn man von diesen Missionsreisen des Heiligen liest, von ihren herrlichen Erfolgen und ihrem oft jähen, durch teuflischen Haß herbeigeführten Abbruch, weiß man nicht, über was man sich mehr wundern soll, über die Niedertracht der Menschen, oder über die freudige Geduld, mit der der heilige Ludwig Maria dies alles ertrug. Die Kalvarienberge, die er im Anschluss an seine Missionen errichtete, waren Symbol seines Lebens, und sein Werk "Das Rundschreiben an die Freunde des Kreuzes" ist nicht am grünen Tisch entstanden, sondern mit seinem Herzblut geschrieben.
Neben seiner umfangreichen Seelsorgearbeit fand der heilige Ludwig Maria noch Zeit genug, sich schriftstellerisch zu betätigen. Außer der „Abhandlung über die vollkommene Andacht zu Maria", dem „Geheimnis Mariä", dem „Rundschreiben an die Freunde des Kreuzes" und der „Kleinen Krone der Allerseligsten Jungfrau", hat der Heilige noch „Die Liebe zur Ewigen Weisheit", „Der heilige Rosenkranz, das wunderbare Geheimnis der Bekehrung und des Heiles" und viele fromme Gedichte verfasst.
Im Jahr 1713 ging er nach Paris, um dort seine zweite Genossenschaft der „Missionare von der Gesellschaft Mariens" zu stiften, die seine Missionsarbeit fortsetzen sollten. Seine letzte Mission hielt er in St. Laurent-sur-Sèvre ab. Todesmatt bestieg er die Kanzel und predigte über die Sanftmut Jesu bei dem Verräterkusse des Judas. Zum letzten Male entlockte er seinen Zuhörern zahlreiche Tränen. Nach der Predigt musste er sich schwerkrank niederlegen. Bei vollstem Bewusstsein ordnete er noch alle Angelegenheiten bezüglich seiner Genossenschaften und bereitete sich dann auf seinen Tod vor. Nachdem er wiederholt die Scharen, die sich weinend an sein Sterbelager drängten, mit dem Kruzifix gesegnet und sie getröstet hatte, fiel er in eine tiefe Ohnmacht; als er daraus erwachte, rief er zitternd, aber mit lauter Stimme: „Du greifst mich umsonst an; ich bin zwischen Jesus und Maria. Gott sei Dank und Maria! Ich bin am Ende meiner Laufbahn; es ist vorbei, jetzt kann ich nicht mehr sündigen." Nach diesen Worten verschied er sanft am 28. April 1716, im Alter von 43 Jahren. Seine Gebeine ruhen in der Kapelle der Allerseligsten Jungfrau in der Kirche zu St. Laurent-sur-Sèvre, wohin seine beiden Ordensgenossenschaften ihren Hauptsitz verlegten.
Der Heilige war nach den Worten seines Lebensbeschreibers „durch seine Predigten ein zweiter Vinzenz Ferrerius, durch seine Armutsliebe ein zweiter Franziskus, durch seine Verehrung der Mutter Gottes ein zweiter Bernardus, durch seine Leiden und Verfolgungen um des Namens Jesu willen ein zweiter Apostel Paulus; und in der erfolgreichen Bekämpfung des Jansenismus hat er mehr getan als alle jene, welche in der damaligen Geschichte der Kirche auf den Leuchter gestellt wurden". Durch seine feierliche Heiligsprechung durch Papst Pius XII. am 20. Juli 1947 ist Ludwig Maria Grignion von Montfort jetzt Gemeingut der ganzen katholischen Welt geworden, und die Kirche gibt ihn einen jeden Katholiken als Beispiel und als Fürbitter.
Lebensbeschreibung des seligen Alanus de Rupe
Der Name Alanus de Rupe ist mit der Geschichte des Rosenkranzes so eng verknüpft, dass es nicht möglich ist, ihn zu übergehen.
Die Wiege Alanus' liegt in der Bretagne, jenem Land, das so viele Heilige hervorgebracht und das heute [d.h. vor ca. 100 Jahren] noch ein fruchtbarer Boden für tiefes religiöses Leben ist. Zu Dinan um 1428 geboren, trat er später ins Dominikanerkloster ein, von wo aus er zum Studium der Theologie ins St. Jakobskloster nach Paris geschickt wurde. Weil die Beobachtung der Ordensgelübde in Lille strenger war als in Paris und Dinan, zog es ihn dorthin. Mit Ausnahme der letzten paar Jahre seines Lebens wirkte er immer als Professor der Theologie in Lille, Douai und in Gent, wo ihm die Würde eines „Lector primarius" verliehen wurde. Sein großer Einfluß war weniger die Wirkung einer reich entfalteten und allbekannten Beredsamkeit als vielmehr seiner leuchtenden Tugend, seiner strengen Abtötung und seiner glühenden Liebe zu Maria.
Es ist schwer, in seinem von der Lehrtätigkeit ganz ausgefüllten Leben den Zeitpunkt seiner apostolischen Reisen zu bestimmen. Und doch ist es sicher, dass er die Bretagne, Flandern, Holland und einen Teil Deutschlands durcheilt und allüberall mit glühendem Eifer den Rosenkranz gepredigt, das Volk aus seiner Lauheit aufgerüttelt und zu einem eifrigen christlichen Leben entflammt hat.
Am 14. März 1470 wurde die erste Rosenkranzbruderschaft von ihm zu Douai gegründet. Nachher wurde er als „Magister Sacrae Theologiae" nach Rostock in Meklenburg geschickt, wo er mit großem Eifer „unserer lieben Frauen Psalter" predigte, und zwar in seiner Muttersprache, während der Prior des Klosters ihn verdolmetschte und seine Predigt dem Volke erklärte.
1473 bestimmte das Provinzialkonzil in Zwolle in Flandern, die Laienbrüder seien verpflichtet, an jenen Tagen, da für die Kleriker das liturgische Psalterium vorgeschrieben sei, den marianischen Psalter zu beten. Das war eine Frucht seiner Tätigkeit.
Im April 1475 benützte Alanus die Gelegenheit eines Provinzialkonzils in Lille, um die Andacht und Bruderschaft des heiligen Rosenkranzes gegen einige Feinde zu verteidigen. In Lille errichtete er die Rosenkranzbruderschaft, und zwar mit solchem Erfolg, dass binnen Jahresfrist mehr als 50.000 Mitglieder eingeschrieben waren.
Von Lille wanderte er nach Zwolle, aber schon am 15. August fühlte er sich krank und starb am 8. September, dem Feste Mariä Geburt, im Alter von 47 Jahren.
Die Zeitgenossen schildern ihn nicht nur als großen Gelehrten, sondern auch als Heiligen, als glühenden Marienverehrer und unermüdlichen Eiferer für ihre Ehre. Sein geradezu wunderbarer Erfolg in der Ausbreitung des Rosenkranzes, der nur ein Werk der göttlichen Vorsehung sein konnte, läßt uns verstehen, warum Alanus seit Jahrhunderten mit dem Titel eines Seligen geschmückt und auf alten Bildern mit dem Heiligenschein abgebildet wird.
Das Beispiel des heiligen Franz von Sales
Der heilige Franz von Sales hatte sich schon in seiner Jugend durch ein Gelübde verpflichtet, täglich den Rosenkranz zu beten. Die heilige Johanna Franziska von Chantal bezeugte darüber: „Ich hörte von ihm selbst, dass er um jene Zeit sich verpflichtet hatte, alle Tage den Rosenkranz zu beten, um durch dieses Mittel die Befreiung von einer lästigen Versuchung zu erlangen. So schrieb er z. B. in einem Brief vom 14. Okt. 1604 der genannten Frau von Chantal, die damals eben in einem Alter von dreiunddreißig Jahren Witwe geworden war, eine Tagesordnung vor, in der es auch heißt: „Ich wünsche, dass Sie entweder bei der heiligen Messe oder im Lauf des Tages den Rosenkranz mit so inniger Andacht beten wie nur möglich." Und in seinem Werk „Philothea“ schreibt er: „Der Rosenkranz ist eine überaus nützliche Gebetsweise, wenn du ihn nur in der gehörigen Weise zu handhaben verstehst. Darum verschaffe dir eines jener vielen Büchlein, welche zum guten Beten des Rosenkranzes anleiten." Auf diese Übung, fährt die heilige Johanna Franziska fort, verwendete der heilige Franz eine Stunde, indem er bei der Betrachtung der Geheimnisse so lange verweilte. Und so besorgt war er, nur ja nie diese Übung zu unterlassen, dass er, wenn er vor Geschäften den Tag über nicht dazu kommen konnte, sich den Rosenkranz um den Arm legte, um sich vor dem Schlafengehen daran zu erinnern; und als er so krank war, dass er nicht sprechen konnte, ließ er sich den Rosenkranz von einigen aus seiner Umgebung vorbeten, um ihn wenigstens im Geiste begleiten zu können. Bei dieser großen Verehrung des Heiligen gegen das Rosenkranzgebet suchte er dasselbe auch anderen so eindringlich wie möglich zu empfehlen. Er selbst trug sogar den Rosenkranz öffentlich am Gürtel als ein heiliges Abzeichen, dass er Gottes und Seiner heiligsten Mutter Diener sei. Auch in seinen Predigten forderte er die Gläubigen auf, diese Andacht eifrig zu pflegen. So schrieb er selbst in einem Briefe: „Am Sonntag hielt ich eine Predigt über den Rosenkranz, da ich selbst schon seit langer Zeit zu dessen Bruderschaft gehöre, wie auch fast die ganze Stadt (Annecy)" - wozu seine eigenen Bemühungen gewiß das meiste beigetragen hatten. Denn er selbst nahm regelmäßig an der monatlichen Bruderschaftsprozession, den Rosenkranz in der Hand, mit der größten Sammlung teil.
Die 15 Verheißungen der Rosenkranzkönigin, gegeben an den seligen Alanus de Rupe
Über Würde und Wert des Rosenkranzgebetes, sowie über den Gebrauch dieser himmlischen Waffe, kann uns niemand besser belehren, als der heilige Ludwig Maria Grignion von Montfort.
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